Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
habt, so bin ich endlich auch darüber still geworden.“
    Franz atmete förmlich jedes dieser Worte von den Lippen des Sprechers; seine Züge wurden hell und immer heller, und in tiefen Stößen drang der Atem aus seiner sich erleichternden Brust.
    „Da ist sie doch immer mein geblieben!“ rief er mit freudestrahlendem Angesicht.
    „Ja. Ich habe sie um ihr Glück betrogen, und dabei ist mir alles zum Unheil ausgefallen. Auf dich wollte ich schießen, und ihren Vater habe ich getroffen; nachher sollte dich der Klotz totmachen, aber du bist –“
    „Der Klotz? Der ist nicht von selber auf mich gerollt?“
    „Nein; das muß ich dir alles sagen, denn deshalb bin ich ja heute zu dir gekommen. Ich habe ihn fortgerollt, damit er dich hat treffen sollen.“
    „So ist's doch wahr, was ich habe mir kaum denken können, weil's gar so grausig schlecht gewesen ist! Oh, du doppelter und dreifacher Mörder, du bist doch ein wahrer Teufel in Menschengestalt und solltest gerade von unten auf gerädert werden!“
    „Franz, das bin ich ja auch schon! Siehst's nicht? Und in meinem Alter hat das mehr zu bedeuten als damals, wo du noch jung gewesen bist. Seit ich die Schule verlassen habe, ist mir der Glaube an Gott abhanden gekommen, jetzt aber weiß ich, daß es wirklich die Gerechtigkeit gibt, die in der Bibel steht: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Dir habe ich die Füße genommen, nun sind mir die meinen auch zermalmt; und dasselbe Holz hat's getan, was ich auf dich gestoßen habe! Der liebe Gott hätte vielleicht noch Nachsicht gehabt mit mir, aber weil ich auch den Wilhelm habe zerschmettern wollen, so –“
    „Auch den Wilhelm? Geh fort, Graf, ich kann's nicht länger hören! Ich habe vorhin gesagt, daß du in meiner Stube alleweil nichts zu fürchten hast, drum geh, mach schnell zur Tür hinaus, daß ich mein Wort nicht breche!“
    „Nein, Franz, laß mich nur da, denn du mußt alles wissen! Meinetwegen magst du auf mich schlagen, wie du willst, ich nehme es ruhig hin, wenn ich dir nur beichten darf, was ich an dir verbrochen habe! Hast's nicht gehört, daß ich mich schon beim Gericht angezeigt habe, wegen des Leutnants? Ich braucht's nicht zu tun, aber du sollst gerechtfertigt sein. Sie haben mich bloß deshalb noch nicht abgeholt, weil ich bisher krank gewesen bin und nicht ausreißen kann. Wenn meine Buße hier zu Ende ist, werde ich mich gefangengeben. Heute bin ich bei dir; morgen gehe ich in die Kirche; übermorgen laß' ich mich aus dem Dukatenhof weisen, und Dienstag fahre ich mit meinem Karren nach dem Zuchthaus. Ich will alles tun und alles tragen, denn ich hab's verdient, und die Emma wird – ach Gott, mein Kind, mein gutes, liebes, unschuldiges Kind!“
    Es wurde still in dem Raum. Der eine hatte ausgekämpft und beugte sich unter den Konsequenzen seiner Taten.
    In dem Innern des anderen tobte der Kampf noch fort, ja, er war jetzt von neuem ausgebrochen und versetzte die Fluten seiner Seele in einen Aufruhr, der unmöglich in wenigen Minuten zu bezwingen war.
    „Und noch eins muß ich dir gestehen“, fuhr der Dukatenbauer endlich fort. „Damals, als du aus meinem Hof geschafft warst und krank zu Hause lagst, wo die Marie dich pflegte, da ist die Anna alle Tage gekommen, und hat sie gefragt, wie's mit dir steht. Nachher hat sie ein Schreiben gemacht an dich, was die Marie dir geben sollte, ich aber bin darüber geraten und habe ihr's konfisziert. Hier ist's. Ich habe in tausend Nächten darüber gesessen und hab's mit Grimm und Ärger immer wieder lesen müssen.“
    Franz griff begierig nach dem Papier; es war zerknittert und beschmutzt und mußte allerdings viel in Gebrauch gewesen sein. Die Nähe des Lichts suchend, saugte der ungeübte Leser die Worte langsam von dem Zettel, wiederholte jeden Satz, bis er ihn in seiner Seele einverleibt fühlte, und als er zu Ende war, wandte er sich mit zuckenden Lippen zu dem Nebenbuhler:
    „Schau, Graf, die Stöße dort unterm Ofen, das alles ist nur ihr Bild, nur immer wieder ihr Kopf. Ich habe gebettelt und gehungert, um Papier zu haben, habe Tag und Nacht und jahrelang gesessen, ehe ich ihn ähnlich brachte, aber ich gebe all die Bilder hin für diesen einen Brief, und den bekommst du nicht wieder, der geht alleweil mit mir ins Grab.“
    „Du sollst ihn auch behalten, dafür habe ich ihn hergebracht. Hier ist noch einer. Den hat sie geschrieben gleich vor dem Tod. In ihrer letzten Stunde mußte ich versprechen, daß ich ihn dir selber bringen wollte. Es ist

Weitere Kostenlose Bücher