73 - Der Dukatenhof
erschien trotz ihrer schweren Schatten ihm nicht so dunkel wie vorher. Als er das Fenster öffnete, um die frische, würzige Morgenluft hereinstreichen zu lassen, gewahrte er den Köpfle-Franz, welcher vom Dorf herabkam und Miene machte, zu passieren, ohne hereinzukommen. Er winkte ihm.
„Nachher!“ rief der aufs neue gewonnene Freund über den Zaun herüber. „Ich muß zum Bad!“
Es war Sonntag und als die Glocken zur Kirche läuteten, folgte auch einer, der seit fast einem Menschenalter nicht in seinem Stuhl gesehen worden war, ihrem Ruf.
Die Augen der Anwesenden waren mehr auf ihn gerichtet als auf den Pfarrer; er aber schien dies nicht zu bemerken, sondern lauschte den Worten des letzteren, der den seltenen Zuhörer gar wohl bemerkt hatte und, von der Änderung des Sinnes überzeugt, gar manchen tröstenden und erhebenden Wink einfließen ließ, von welchen in dem Konzept seiner Rede nichts zu lesen war.
Als er nach Hause kam, fand er zwei Gäste vor, die eben aus dem leeren Stall traten. Es war der Baron mit dem Agenten. Sie hatten wegen der morgigen Versteigerung einen Rundgang durch den Dukatenhof unternommen und begrüßten ihn in einer ganz anderen Weise, als es früher geschehen war. Wilhelm hatte ihren Begleiter gemacht.
„Guten Morgen, Dukatengraf!“ meinte der Baron. „Wo hast du heute deine Kette gelassen? Und an dem Rock hier sind doch schwarze Knöpfe!“
„Die Dukaten habt ihr und die schwarzen Knöpfe habe ich, wollen sehen, wer das Seine am längsten behält“, antwortete er ruhig.
„Oho, bist du heute patzig! Aber wahr ist's, die Dukaten haben wir und auch noch mehr dazu. Schau her!“ Er zog ein Portefeuille aus der Tasche und entnahm demselben mehrere kleine, sorgfältig eingeschlagene Päckchen. „Das ist der Preis für den Dukatenhof, der morgen unser wird. Du warst kein dummer Kerl, aber gekauft haben wir dich doch, und wenn das Gut zerschlagen ist, so sind wir fertig und versuchen's woanders mit einem noch Gescheiteren.“
„Das könnt ihr tun, wenn ihr den Hof auch wirklich bekommt. Jetzt aber bin ich noch hier, und die Straße da draußen ist euer. Macht, daß ihr miteinander hinauskommt!“
„Gut, du sollst deinen Willen haben, Dukatenmann; aber morgen hörst du auch den unsrigen, und dann ist's umgekehrt!“
Mit stolzen, selbstbewußten Schritten ging er davon. Auch der Agent hatte nach seiner Brieftasche gegriffen und sie geöffnet. Ohne ein Wort des Abschiedes konnte er unmöglich den Platz verlassen. Er trat hart an Graf heran, hielt ihm das geöffnete Notizbuch vor die Augen, blinzelte ihn höhnisch durch die blauen Klemmer an und fragte:
„Sehen Sie diese Ziffern, Herr Graf? Das ist bei Heller und Pfennig, was Sie im Spiel zum Fenster hinausgeworfen haben und von uns natürlich aufgefangen worden ist. Oh, wir führen sehr genau Buch, und wenn Ihnen an diesen Notizen gelegen ist, so will ich sie Ihnen zur Verfügung stellen. Sie können sich die Zeit damit vertreiben, wenn dieselbe Ihnen jetzt nun wegen des Leutnants etwas lang gemacht wird. Und was –“
Er konnte seine Abschiedsrede nicht vollenden, denn Wilhelm hatte ihn bei der letzten Wendung derselben beim Kragen genommen und brachte ihn mit solcher Geschwindigkeit vor das Tor hinaus, daß sogar der Klemmer von dem gewaltsamen Fortschritt ergriffen wurde und trotz des weiten Weges bis vorn auf die Nasenspitze rutschte. Ihn wieder an den gehörigen Ort zurückschiebend, schickte sich der kleine Mann zu einer ernsten Verwahrung gegen ein so summarisches Verfahren an; der Baron aber ergriff ihn am Arm, zog ihn lachend mit sich fort und sagte:
„So ist dir's recht geschehen, Kleiner! Du brauchtest mit deinem Näschen nicht so ewig lang da drin herumzuschnobern! Aber nimm dir's nicht zu sehr zu Herzen. Heute mir, morgen dir!“
Auf dem Rückweg vom Tor bemerkte Wilhelm ein mehrfach zusammengeschlagenes Papier, welches an der Erde lag. Es mußte bei dem ungewöhnlich raschen Transport dem Agenten aus der Brieftasche gefallen sein. Er nahm es auf und schlug es auseinander. Es war ein Blatt aus einer fremden Zeitung, zeigte ein längst vergangenes Datum und enthielt neben gerichtlichen Ankündigungen und einem Börsenkurs nur wertlose Annoncen. Schon wollte er es wegwerfen, als sein Gesicht auf einmal einen ganz anderen, gespannten Ausdruck annahm.
„Steht was Wichtiges drin?“ fragte Graf.
„Was sehr Wichtiges. Das müssen wir uns mal genau ansehen und überlegen. Kommen Sie herein!“ –
Auch
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