73 - Der Dukatenhof
den Nachmittagsgottesdienst besuchte Graf. Als er sich der Kirche näherte, bemerkte er vor dem Pfarrhof eine zweispännige Kutsche; der livrierte Kutscher saß in stolzer Unbeweglichkeit auf dem Bock, den Peitschenschaft auf dem rechten Knie, und ein ebenso gekleideter Diener stand am Schlag. Obgleich aus der Anwesenheit des Geschirres zu ersehen war, daß der Pfarrer vornehmen Besuch habe, lenkte der Bauer doch an der Kirche vorüber und auf die Wohnung des Geistlichen zu. Dort angekommen, fand er außer dem ihm wohlbekannten Direktor des nahen Bezirksgerichts eine Dame und einen Herrn vor, deren Äußeres ein so respekteinflößendes war, daß er sich augenblicklich unter einer Entschuldigung zum Verlassen des Zimmers anschickte; der Pfarrer aber hielt ihn davon zurück.
„Bleiben Sie, Graf; Ihr Kommen stört uns nicht!“ versicherte er, indem sein Auge teilnahmsvoll die verkrüppelte Gestalt des Ankömmlings überflog. Auch die anderen drei ließen ihre Blicke mit mitleidigen Interesse auf ihm ruhen. „Was bringen Sie mir?“
„Es sind zwei Bitten, mit denen ich komme, Herr Pastor; aber weil Sie nicht allein sind, so weiß ich nicht, ob ich sie sagen darf.“
„Sprechen Sie immer, wenn es nicht etwas nur unter vier Augen zu Verhandelndes ist!“
„Eigentlich wär's wohl so etwas; aber ich habe Sie nicht unter vier Augen beleidigt, und so kann ich auch jetzt öffentlich darüber sprechen. Sie wissen wohl noch alles, wie es dazumal beim Begräbnis meiner Frau gewesen ist. Ich war ein harter, gotteslästerlicher Mensch, der sich aus dem lieben Gott nichts machte und keinem Menschen was zulieb und gut gehalten hat. Ihre Rede wollte mich im Herzen packen; darum habe ich sie abgeschüttelt und bin davongelaufen. Aber dem da droben bin ich doch nicht ausgerissen, sondern er hat mich festgehalten und mir den verdienten Lohn gegeben. Da sehen Sie, Herr Pastor, was aus dem stolzen Dukatenbauer geworden ist; ein armseliger, elender Vogelscheucher, der sich kaum noch über die Straße schleppen kann und der nun gar noch im Zuchthaus sterben und verderben wird. Aber ehe ich dahinkomme, will ich erst überall Buße tun, wo ich gesündigt habe, und da komme ich auch zu Ihnen, um Sie um Verzeihung zu bitten für das, was damals geschehen ist.“
Es waren einfache Worte, welche er sprach; der Ton seiner Stimme klang ruhig und unerregt, aber gerade dieser stille, leidende Ernst seiner Rede machte einen tieferen Eindruck, als wenn sie unter Weinen und Klagen hervorgebracht worden wären.
„Was Sie damals getan, Graf, das haben Sie gegen den unternommen, dessen Dasein Sie zu jener Zeit leugneten. Er ist gerecht und straft die Sünde, aber er zürnt nicht ewig. Ich, als sein Diener, reiche Ihnen hier die Hand zur Versöhnung; seine Gnade ist größer als unsere Missetat; sie geht niemals zu Ende und wird sich auch Ihrer erbarmen. Ich weiß, was gestern abend auf dem Kirchhof geschehen ist. Wer so bereut, der darf Verzeihung finden.“
„Ich danke, Herr Pfarrer! Ich will ja gern alles auf mich nehmen, was ich verschuldet habe, wenn ich weiß, daß mir's vergeben ist. Und die andere Bitte, die ist von wegen dem Köpfle-Franz.“
Er griff in die Tasche und zog ein Papierpaket hervor, welches er öffnete. Es enthielt die Dukatenkette nebst den Goldstückknöpfen von Rock, Hut und Weste.
„Das sind die Zeichen von dem Hochmut, dem ich all mein Elend zu verdanken habe! Nichts, gar nichts habe ich bei dem Untergang retten können, als diese flimmrigen Schandflecke, und nun soll grade der sie bekommen, gegen den ich am schlechtesten gewesen bin, der Köpfle-Franz. Aber wissen darf er's nicht, daß die Gabe von mir kommt, sonst nimmt er sie nicht an, weil ich's jetzt selber brauche. Ich bitte sie darum recht schön, Herr Pfarrer, wenn ich übermorgen fort sein werde von hier, so verkaufen Sie das Zeug, und was Sie dafür kriegen, das geben Sie ihm. Wenn er denkt, daß es von jemand anderem kommt, so wird er sich nicht weigern, es zu nehmen.“
„Das wollte ich Ihnen gern besorgen, wenn ich nicht dieselbe Ansicht hätte wie er. Ihre Tochter steht nun so allein und verlassen da, daß sie die Goldstücke wohl ebenso nötig hätte wie der Franz.“
„O nein, Herr Pfarrer! Der Wilhelm ist ein gar braver Bursche, der wird für sie sorgen und sie niemals im Stich lassen. Wenn's sonst nichts wäre, so brauchte ich mir um sie wohl keine Sorgen zu machen.“
„Dann geben Sie die Kette her! Ich will sehen, was ich dafür löse,
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