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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht gar so lieb hätte, ich müßte doch die Stelle des Bruders ausfüllen, der –“
    „Laß gut sein jetzt, Frieder; das ist Zeit bis nachher, bis später!“ Das Gesicht des Sprechers legte sich in düstere Falten. „Nicht wahr, hast nie gedacht, mich so zu finden wie heute?“
    „Nie; ich kann dir gar nicht sagen, wie es mir das Herz zerreißt, das zu sehen, was zu lesen mir schon so entsetzlich war. Gebe Gott, daß noch Hilfe für deine lieben Augen möglich ist.“
    „Nichts ist mehr möglich, gar nichts! Ich bin bei allen Doktoren und Professoren gewesen und habe um Hilfe gefleht wie ein Nestling, der zur Erde gefallen ist, aber umsonst. Komm; steig ein! Ich erzähle dir die Geschichte unterwegs.“
    „Laß mich erst den Koffer besorgen!“
    Nachdem dieser von dem Knecht geholt und auf dem Bock befestigt worden war, stiegen Vater und Sohn ein; die Braunen zogen an, und der Wagen rollte der nahen Landstraße zu, welche höher hinauf in das Gebirge führte.
    Schweigend saßen sie nebeneinander. Der Bauer rang mit den finsteren Regungen seines Innern, mit denen er seit seiner Erblindung so viel und vergeblich gekämpft hatte und die sich von neuem mit doppelter Gewalt in ihm aufbäumten, da er sich verurteilt sah, auf den so lange entbehrten Anblick des geliebten Sohnes verzichten zu müssen. Und Frieder, wie der Gebirgler sich den Namen Friedrich gern zurechtlegt, konnte kein Auge von der Zerstörung wenden, welche dem Gesicht des Vaters den einst so freundlichen und intelligenten Ausdruck geraubt hatte. Es wallte in ihm von Gefühlen, welche ihm heiß und feucht in das Auge traten und ihm die Hände ballten, als müsse er den unheilvollen Urheber solcher Leiden zwischen ihnen zermalmen. Der Betreffende wäre in einer solchen Lage nichts weniger als zu beneiden gewesen; denn Frieder besaß, wie der Knecht vorhin ganz richtig bemerkt hatte, die Statur des Vaters und war diesem an jugendlicher Gewandtheit ja weit überlegen. Zwischen den Bergen rechnet man mehr mit den physischen Kräften als in der städtereichen Ebene, wo das geistige Vermögen den bevorzugten Faktor bildet.
    „So, hast also den Brief erhalten?“ fragte endlich der Bauer, als der Wagen schon längst die Stadt verlassen hatte und beinahe geräuschlos zwischen den bewaldeten Höhen dahinfuhr.
    „Ja, ein fürchterlicher Brief!“
    „Er war kurz, aber schlimm. Ich konnte ihn nicht aufsetzen, weil das Augenlicht nicht mehr vorhanden war, und so hat ihn die Mutter aufs Papier gesetzt, die mit der Feder nicht viel zuwege gebracht hat.“
    „Aber warum habt ihr mir nicht vorher gemeldet, daß der Bruder gestorben ist?“
    „Gestorben? Ja, gestorben ist er, aber wie und woran? Ich habe es dir nicht kundgetan, weil ich dir das Leid auf etwelche Zeit ersparen wollte, und weil ich ganz andere Dinge im Kopf trug, als Feder und Papier. Aber jetzt sollst du alles erfahren; jetzt muß du alles wissen, denn jetzt bist du daheim, und der Mund kann sagen, was die Tinte nicht zu erzählen versteht.“
    Des Sprechenden ausdrucksloses Auge starrte leer in die Weite; seine Lippen zitterten unter der Qual des Erlebten und doch nicht Überstandenen, und seine Hände drückten sich auf die hochgehende Brust, als wollte er den darin wütenden Schmerz gewaltsam niederdrücken. Dann fuhr er fort:
    „Vom Waldschwarzen hast du gehört?“
    „Nein! Ich war ja fünf volle Jahre von der Heimat abwesend, habe die Welt durchstreift und die ganze Zeit von zu Hause so wenig vernommen, bis die letzte Botschaft kam, welche mich veranlaßte, schleunigst heimzukehren.“
    „So muß ich die Geschichte ganz von vorn anfangen. Du weißt von Kind her, daß vor vielen langen Jahren der ‚Pascherkönig‘ mal hier in den Bergen sein Wesen trieb. Er hatte alle Wilderer und Schmuggler unter sich, die ihn nicht verrieten, weil sie selber nicht wußten, wer er eigentlich war, und weil sie die Strafe fürchteten, die er jedem gab, den er für seinen Feind hielt. Nachher ist es aber doch herausgekommen, wer er war. Später fand sich ein neuer Anführer für die Pascher. Er nannte sich den ‚Grenzmeister‘. Wer ihm entgegentrat, den räumte er unerbittlich aus dem Weg. Es war eine Gnade, von ihm nicht getötet, sondern nur geblendet zu werden, damit man ihn nicht vor Gericht nachweisen könne. Dieser Wüterich ist aber trotz dieser grausamen Vorsicht doch entdeckt worden und hat ein schmählich Ende genommen. Weißt noch die Geschichte?“
    „Ja. Die Schmuggelei ist eine von

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