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73 - Der Dukatenhof

73 - Der Dukatenhof

Titel: 73 - Der Dukatenhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hochgelehrt zu sehen; aber du hast gute Worte gegeben und die Mutter auch, und so ist euch euer Wille geschehen. Jetzt nun bin ich blind, und der Franz ist tot, und das Geschlecht der Bachbauerriesen stirbt aus. Ich war der stärkste von allen; darum nennt man mich den Goliath; wie aber wird man dich heißen, Knirps?“
    Trotz der nichts weniger als lustigen Stimmung des Augenblicks zuckte ein heiteres Lächeln um das Bärtchen, welches die Lippen Frieders beschattete.
    „Fünf Jahre, hast's gehört, Vater, fünf volle Jahre war ich nicht daheim! Denkst nicht, daß ich in dieser Zeit ein wenig gewachsen bin?“
    „Ein wenig, ja. Aber der echte Bachbauer wirst nicht sein; der Bücherwurm hat dir die Kraft verzehrt und die Courage dazu.“
    „So werde ich wieder stark zu Haus; denn nun der Franz tot ist, nehme ich die Arbeit über mich. Der Bachhof steht mir höher als die Gelehrsamkeit, denn er ist ja meine Heimat, und die hält man hoch!“
    „Frieder“, rief der Bauer entzückt, „so höre ich's gern, und niemand wird sich mehr darüber freuen, als wie die Mutter! Du sollst das Auge werden, mit dem ich schaue, und wirst auch die Hand sein, mit der ich schaffe und arbeite. Hab Dank für dieses Wort!“
    Ein kräftiger Händedruck, der jedem anderen zu einem Laut des Schmerzes veranlaßt hätte, besiegelte diesen Bund. Dann fuhr der Vater fort:
    „Es ist nachher für mich eine gar regsame Zeit gewesen. Bei Tag habe ich im Hof und auf dem Feld geschafft, und bei Nacht bin ich hinaus in den Wald gegangen, den Haß im Herzen und die Büchse auf der Schulter. Ich habe gehorcht und gelauscht vom Abend bis zum Morgen und nichts gesehen und nichts erfahren, als daß die Nachbarn alle die Rache erkannt haben, die in mir kochte Tag und Nacht.“
    Er atmete auf und fuhr dann fort:
    „Nur einer hat kein Mitleid mit mir gehabt, sondern über mich gelacht und gespottet, der Feldbauer, der mein Rivale gewesen ist von Jugend auf. Er trägt es mir noch heute nach, daß deine Mutter mich genommen hat und nicht ihn, und wo er es nur kann, da fügt er mir Verdruß und Krankheit bei. Die erste Frau hat er ins Grab geärgert, und die zweite, die er als Witwe bekommen hat, wird wohl das gleiche erleiden müssen. Mich dauert nur das arme Kind, die Martha, die er gar schlecht behandelt, weil er der Stiefvater ist, und dennoch ist sie das schönste und beste Mädel weit und breit. Sie ist trotz der Feindschaft ihres Vaters gekommen und hat der Mutter bei der Pflege geholfen, als ich unter Schmerz und Qual darniederlag. Das werde ich ihr nimmer vergessen, so lange ich lebend bin, denn ihr Wort und Trost war grad so mild und lind wie die Hand, mit der sie mir das Auge verbunden hat. Und ich habe ihn gebraucht, den Zuspruch und den Trost; denn es war, als hätte die Hölle in mir gebrodelt und gekocht, viel schlimmer noch als damals, als ich das Gelübde am Grab tat!“
    Er holte abermals tief Atem. Die Erinnerung stürmte tief auf ihn ein, und es dauerte lange, ehe er wieder ruhiger zu erzählen vermochte:
    „Es war in einer Mondnacht, beinahe so hell wie der Tag, als ich drunten auf der Halle saß, wo sie vor langer Zeit den alten Stollen zugeschüttet haben. Da knackte es im Gebüsch, und als ich aufschaute, stand einer vor mir, breit und stark wie ein Herkules, bewaffnet bis an die Zähne und mit einer schwarzen Larve vor dem Gesicht.
    ‚Der Waldschwarze!‘ rief ich und sprang empor, um die Büchse anzulegen. Der aber sagte kein Wort, sondern legte den Finger an den Mund und pfiff. Ich wollte grad losdrücken, doch in demselben Augenblick wurde ich von hinten und von der Seite gefaßt und zu Boden gerissen. Sie sind über mich gefallen wie die Wölfe um das einzige Roß; ich schlug um mich, so viel ich konnte, schüttelte sie ab und sprang empor, wurde wieder niedergeworfen, und so ging der Kampf wohl zehn Minuten fort, bis ich endlich ermüdet war und gefesselt wurde. Es waren wohl an die zwanzig Mann, jeder mit der Maske vor dem Gesicht. Ein Tuch wurde mir um die Augen gelegt und ein Knebel mit Gewalt in den Mund gesteckt; dann ging es fort, wohin, weiß ich nicht. Halb getragen, halb gestoßen und geschoben, wurde ich über eine halbe Stunde weitergezerrt, bis es wie Strauch- und Dornzeug raschelte und ich eine Treppe hinuntersteigen mußte. Dort war's feucht und kalt; ich wurde zu Boden gelegt, und dann begann mit leiser Stimme die Verhandlung über mich. Ich hörte nichts als das letzte Wort davon:
    ‚Es ist genug, daß der

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