760 Minuten Angst
Verehrer?«, fragte der Mann mit einem schmalen Lächeln im Gesicht.
Als Valentina aufsah, kam ihr der Anblick vollkommen falsch und bizarr vor. Wie ein makabres Spiel eines Geisteskranken.
Ja, genau das ist es auch.
»Sie … sie haben diesen Brief geschrieben … nicht wahr?«
»Wie bitte?«, fragte der Fremde verlegen. »Aber nein, ich bitte Sie, ich bin doch viel zu alt für Sie. Außerdem spiele ich solche Spielchen schon lange nicht mehr.«
Er lächelte breiter und Valentina begriff, dass es ehrlich gemeint war. Sie tat ihm unrecht. Er konnte es unmöglich sein.
»En … entschuldigen Sie. Ich … ich dachte nur …«
»Geht es Ihnen nicht gut?«, fragte der Mann besorgt. »Sie wirken so zerstreut. War es denn nicht der Verehrer, den Sie sich erhofft haben?«
»Nein … nein das … das ist es nicht …«, stotterte Valentina. Ein richtiges Gespräch kam dabei nicht zustande.
Ihr Blick fiel zurück auf den Brief. Valentina überflog ein aufs andere Mal dieselben Worte. Sie konnte nicht mehr aufhören. Es war wie ein innerer, nicht abzustellender Zwang, den sie sich nicht erklären konnte. Sie war auf der Suche, doch nach was konnte sie beim besten Willen nicht sagen.
»Kann ich Ihnen wirklich nicht helfen?«, bohrte der Mann nach.
»Ich … ich weiß es nicht.«
Was sollte Valentina schon darauf antworten? Sie hatte ja selbst keine Ahnung, was gerade vor sich ging.
Erneut kam ihr dieser eine Gedanke.
Irgendwie passt das alles nicht zusammen.
Sie las abermals den Brief. Vor allem der letzte Satz blieb ihr fest im Kopf verankert.
Ein Fürst, ganz in deiner Nähe, dir den Weg weisen.
Ein Fürst … ganz in meiner Nähe …
Valentina schluckte ihre Panik hinunter, fasste sich ans Herz und gab ihren Gedanken eine Stimme.
»Sind Sie zufällig ein Fürst?«
Kaum hatte sie den Satz ausgesprochen, kam sie sich sofort albern und bekloppt vor.
Was habe ich da gerade gesagt? Ich bin doch total bescheuert!
»Ich … ich … es …«, wieder begann Valentina zu stottern.
Nur der Mann blieb ruhig und setzte ein charmantes, warmes Lächeln auf. Hätte Valentina in diesem Augenblick nicht so viel Angst verspürt, hätte sie es wohl als sehr angenehm und attraktiv empfunden.
»Nein, leider nicht. Wünschen Sie sich denn einen Fürsten zum Freund?«
Diese Frage brachte sie vollends aus dem Konzept.
»Nein … nein … so ist das nicht. Ich wollte nur …«
»Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Schließlich kenne ich Sie kaum.«
»Nein, nein, mir tut es leid«, plapperte Valentina viel zu schnell. »Sie sind wirklich nett und alles, es ist nur …«
»Dieser Brief?«
»Ja.«
Valentinas Kopf wurde auf einmal viel zu schwer. Vornübergebeugt rang sie mit den Tränen, welche durch die ansteigende Panik kaum aufzuhalten waren. Sie sorgte sich zu sehr um ihre Liebste, um ihre beste Freundin.
Sarah … oh Sarah, wo bist du nur? Warum bist du immer noch nicht hier? Selbst für dich ist das untypisch.
Bitte Sarah, tauch doch endlich auf. Dir … dir darf einfach nichts …
»Ich würde Ihnen wirklich gerne helfen.«
Die besorgte Stimme des Mannes riss Valentina aus ihren bedrückenden Gedanken. Doch genau diese wenigen Worte waren es, die ihr gefehlt hatten, um die richtige Frage zu stellen.
»Kennen Sie denn einen Fürsten hier in der Nähe?«
Die Antwort würde sie überraschen.
»Einen Fürsten? Hier in der Nähe?«
Der Mann machte eine Pause und wirkte dabei so, als würde er kurz nachdenken müssen, was er aber in Wirklichkeit gar nicht tat.
»Natürlich. Den kennt doch jeder.«
»Wirklich?«
Valentina konnte es gar nicht fassen. Hatte er tatsächlich eine Antwort auf dieses groteske Spiel? War er vielleicht doch …
Nein, nein, nein. Das darf ich nicht mal denken. Dieser nette Mann ist nie und nimmer der Entführer.
Sie hatte es gedacht!
Zum ersten Mal hatte sie dieses Wort in ihren Verstand eindringen lassen. Pure Angst durchflutete mit rasender Geschwindigkeit ihren gesamten Körper. Gänsehaut wurde ihr neues Gewand.
»Soll ich Sie etwa zu ihm führen?«, fragte der Mann und streckte ihr die rechte Hand entgegen.
Valentina konnte nicht anders, als all ihre Zweifel, Ängste und Theorien über Bord zu werfen und sich dem Fremden hinzugeben. Er wurde ihr Hoffnungsschimmer. Ohne ihn würde sie dem Wahnsinn verfallen, das wusste sie.
»Bi … bitte.«
Mehr brachte sie nicht heraus.
Wie von selbst bewegte sich ihre eigene rechte Hand zur ausgestreckten ihres
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