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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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Nachricht auf die hellgraue Arbeitsplatte, ehe er sein schwarzes Handy aus der rechten Hosentasche fischte. Leila war natürlich auf der Kurzwahltaste Eins gespeichert, so wie es sich für einen guten Ehemann gehörte.
    Es klingelte … und klingelte … und klingelte …
    Jakes Herzschlag beschleunigte sich. Er konnte es regelrecht pumpen hören. Er versuchte seine ansteigende Furcht zu unterdrücken. Es funktionierte nicht.
    Noch immer klingelte es … klingelte … klingelte.
    Weder Leila noch Jake hatten eine Mobilbox. Sie hassten Anrufbeantworter. Sie fanden es unnatürlich und merkwürdig, mit einer Maschine zu reden und dabei so zu tun, als ob ein Mensch dran wäre. Doch nun wünschte er sich nichts sehnlicher, als irgendetwas anderes zu hören als diesen sich ständig wiederholenden, nervigen Piepton.
    Bitte Leila, geh doch endlich ran.
    Er sah auf seine Armbanduhr. 18:02 Uhr.
    Um diese Zeit macht sie normalerweise das Abendessen und kümmert sich um Mira. Sie muss also zu Hause sein! Vielleicht hat sie aber auch nur ihr Handy nicht griffbereit. Ich versuch es am besten mal auf dem Festnetz.
    Jake legte auf und wählte kurz darauf die Festnetznummer. Erneut hallte ihm der nervige Klingelton entgegen. Er wiederholte sich immer und immer wieder. Langsam, aber sicher bekam es Jake mit der Angst zu tun. Das war definitiv nicht normal.
    »Verdammt!«, brüllte er und warf dabei das Handy in die nächstbeste Ecke. »Das kann doch alles nicht wahr sein!«
    Nur war es bittere Realität.
    Leila … Mira …
    Er brach zusammen.
    Für einen kurzen Augenblick gab sich Jake der Furcht hin. Er sank auf die Knie, legte den Kopf zwischen die Hände und versuchte, die aufkommenden Tränen zu unterdrücken. Sein stark pochendes Herz wurde zu einem stetigen Begleiter.
    Ich verstehe das alles nicht. Das kann doch nur ein schlechter Scherz sein. Ich meine, warum sollte jemand meiner Familie etwas antun? Ich bin weder reich, noch habe ich etwas verbrochen. Womit habe ich das verdient? Das ergibt doch alles keinen Sinn?
    Und das tat es auch nicht.
    Dennoch verstand Jake, dass er es nicht ändern konnte.
    Er riss sich zusammen, stand auf und ging in die Ecke, in der sein Handy auf dem Boden lag. Auf dem Display leuchtete weiterhin das Wort »Zuhause« auf, als wollte es ihn verhöhnen. Jake ließ sich nicht darauf ein und klappte einfach das Mobiltelefon zu.
    Sie ist bestimmt nur unterwegs. Es ist nichts passiert, da bin ich mir ganz sicher. Ich mache mir ganz umsonst Sorgen. Ich fahr jetzt einfach nach Hause und dann …
    Doch was, wenn nicht?
    Diesmal meldete sich sein Gewissen zu Wort.
    Ja … was, wenn nicht?
    Was, wenn alles wahr ist? Wenn das wirklich der Brief eines Psychopathen ist, der meine Familie entführt hat und mit mir ein verrücktes Kinderspiel spielen will?
    Erneut trat die Angst in den Vordergrund. Jake hatte das Gefühl, völlig den Verstand zu verlieren. Er hatte keine Ahnung mehr, was er machen sollte.
    Der Brief!
    Zurück bei der Küchenzeile schnappte sich Jake das weiße Stück Papier und überflog zum dritten Mal den handgeschriebenen Text. Gerade die letzten beiden Sätze hatten es ihm angetan.
    Entscheide selbst. Ich werde hier unter der Erde auf dich warten.
    Also bleibt mir nichts anderes übrig als mitzuspielen? Doch wo soll ich anfangen? Ich meine, was meint er mit dem letzten Satz? Unter der Erde? Muss ich etwa nach ihm graben?! Das ist doch verrückt!
    »Arrrghhhh!«
    Jake hielt sich den Kopf und stand kurz davor, durchdrehen. Er hatte keinen Plan, was dieser Irre von ihm wollte. Und dann noch dieses bescheuerte, durchgestrichene hier !
    Nein … warte …
    Jake sah noch etwas genauer hin. Das Wort war gar nicht durchgestrichen, wie er die ganze Zeit über angenommen hatte, sondern unterstrichen !
    Meint er etwa …
    Er führte den Gedanken nicht zu Ende. Die Nachricht landete zerknüllt zusammen mit seinem Handy in der rechten Hosentasche. Schluss mit Nachdenken.
    Es war Zeit zu handeln.

    Mit Zeige- und Mittelfinger zog er das linierte einfache Stück Papier aus dem beigefarbenen Umschlag. Erst als er den Brief herumdrehte, erkannte er den handgeschriebenen Text darauf und begann zu lesen:

    Lieber Richard,

    genießt du deinen Spaziergang bis jetzt? Tut gut, nicht wahr? »Ein bisschen Bewegung am Tag belebt Körper und Geist« würde meine Mutter jetzt sagen, wenn sie noch am Leben wäre. Aber lassen wir das, schließlich geht es heute um dich, Richard.
    Ich habe eine Schnitzeljagd organisiert.

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