760 Minuten Angst
Stadtparks und jagte ein paar Enten hinterher. Er musste schmunzeln. Normalerweise war Rick kein glücklicher oder zufriedener Mensch, nur wenn er Zeit mit seinen beiden Lieblingen verbrachte, kam so etwas wie Freude in ihm auf. Mit Menschen konnte Rick hingegen so gar nichts anfangen. Er hatte auch noch keine Freundin gehabt. Lediglich seine Nichte Karo war ihm aus welchen Gründen auch immer ans Herz gewachsen.
Kurz tauchte Rocko auf und hetzte um den Teich, ehe er abermals aus Ricks Blickfeld verschwand. Dieser blickte in die Ferne und erkannte dabei die russisch-orthodoxe Kirche zu seiner Rechten und den Umriss eines Mannes, der ihm wohl bekannt war. Rick kannte zwar weder seinen Namen noch den seines Schäferhundes, aber das lag allein daran, da er sie auch gar nicht wissen wollte.
Normalerweise ging der Fremde einfach an ihm vorbei, als würde Rick nicht existieren, was ihm natürlich nur recht war, doch diesmal wurde der Hundebesitzer langsamer und sah dabei in Ricks Richtung.
Was soll das?
»Du bist Richard, nicht wahr?«, fragte der Fremde und kam kurz vor ihm zum Stehen.
»Rick«, verbesserte er ihn.
Zum ersten Mal betrachtete er den jungen Mann genauer. Er wirkte nicht älter als er selbst, hatte kurzes, dunkelblondes Haar, blaue Augen, ein viel zu aalglattes Gesicht mit einem dämlichen aufgesetzten Grinsen und einen schmalen, untrainierten Körper.
»Was willst du?«, fragte Rick gereizt.
»Nicht viel«, antwortete der Fremde und sah dabei auf Ricks einfache Armbanduhr. »Kannst du mir vielleicht sagen, wie spät es ist?«
»Wenn es sein muss.« Rick war bereits genervt, tat ihm aber den Gefallen. Warum auch immer.
»Kurz vor Sechs.«
»Wie spät genau?«
Okay, Junge, jetzt hast du’s geschafft. Du gehst mir gerade tierisch auf den Sack.
»Hör mal …«, setzte Rick an, doch unterbrach seinen Satz, als der Fremde beschwichtigend die Hände hob.
»Nicht böse sein, es ist nur … dein Freund wollte es so.«
»Was für ein Freund? Ich hab keine Freunde.«
»Er sagte aber, dass er ein Freund von dir wäre«, erwiderte der Fremde.
»Und was will der von mir?«, fragte Rick gereizt.
»Erst die Uhrzeit.«
»Hör mal Freundchen, treib es ja nicht zu weit«, drohte Rick, sah aber trotzdem nach.
Warum tu ich das eigentlich?
»17:52 Uhr. Und zwar ganz genau. Zufrieden?«
»Ja, super. Dann passt es ja. Bitte.«
Der Mann zog einen beigefarbenen Briefumschlag aus seiner rechten Hosentasche und überreichte ihn Rick. Dieser schaute verdutzt zurück und konnte im ersten Moment gar nicht begreifen, was der Fremde von ihm erwartete.
»Und was soll ich jetzt damit?«
»Dein Freund hat gesagt, dass ich dir den Umschlag um genau 17:52 Uhr geben soll. Du würdest schon wissen, was damit zu tun ist.«
»Ich kenn aber diesen Freund überhaupt nicht«, erwiderte Rick mehr und mehr genervt von dem ganzen Gespräch. »Nimm diesen verfluchten Umschlag und verpiss dich endlich.«
»Hey, kein Grund gleich beleidigend zu werden. Ich wollte dir nur einen Gefallen tun. Dein Freund sagte, dir würde das Spiel gefallen.«
»Das Spiel?!«, wiederholte Rick unglaubwürdig. »Du hältst das alles also für ein gottverdammtes Spiel?«
»So war das nicht gemeint. Ich glaube, ich geh jetzt lieber.«
Der junge Mann ließ den Briefumschlag fallen, wandte sich um und folgte dem Parkweg in die linke Richtung. Sein Schäferhund begleitete ihn. Rick hatte zwar noch etwas sagen wollen, ließ es aber bleiben. Es hätte sowieso nichts mehr gebracht.
Rick hielt Ausschau nach Rocko, konnte ihn aber nirgends entdecken. Weder am Teich noch bei der kleinen Kirche. Eher durch Zufall fiel sein Blick auf den Boden und den Umschlag. Zuvor hatte er gar nicht den Namen darauf erkannt. RICHARD.
Was für eine merkwürdige Aktion.
Mehr fiel Rick nicht ein. Doch trotz aller Ablehnung hob er den Briefumschlag auf. Er wendete ihn ein paar Mal in den Händen, ehe er zu dem Entschluss kam, ihn zu öffnen.
Was soll schon passieren?
Alles, Rick. Alles … und noch mehr.
Es war schon eine Weile her, dass Valentina einmal die Zeit gehabt hatte, einfach nur auf einer Parkbank zu sitzen und den Leuten dabei zuzusehen, wie sie ihr Leben lebten.
Ein wirklich schöner Dienstag, dachte sie und sah dabei zum Himmel auf. Sie beobachtete die wenigen, wie Zuckerwatte wirkenden Wolken, wie sie vom sanften Wind davongetragen wurden. Die Sonne schien und sendete ihre wärmenden Strahlen zur Erde. Valentina genoss den Augenblick in vollen
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