760 Minuten Angst
Katie in den Raum. Sie war jedoch selbst nicht davon überzeugt. Man hörte es deutlich aus ihrer Stimme heraus.
»Und was soll ich ihnen sagen? Dass ich eine Drohung von einem Irren bekommen habe, der womöglich meine Omi entführt hat? Das glauben die mir doch nie!«
»Aber wir haben doch den Brief«, erwiderte Katie.
»Der nichts aussagt. Ich meine, das sind doch nur Vermutungen, nichts weiter. Ich … ich muss einfach …«
»Ja, Stella. Was musst du?«
»Mitspielen! Das ist die einzige Möglichkeit.«
»Das ist doch verrückt! Du solltest lieber nach Hause fahren, nachschauen, was mit deiner Oma ist und dann die Polizei alarmieren, wenn sie nicht da ist.«
»Und was, wenn er in der Zwischenzeit meiner Omi etwas antut?! Ich meine, er will doch …«
»Oh Mann, Stella …«
»Ich darf sie nicht auch noch verlieren, Katie. Sie ist doch alles, was ich noch habe.«
Stella spielte darauf an, dass sie ihre Eltern mit neun Jahren durch einen schweren Autounfall verloren hatte. Seitdem wurde sie von ihrer geliebten Omi großgezogen und Katie wusste über diesen Zustand sehr wohl Bescheid, weshalb ihr diese Geschichte auch so naheging.
»Okay, weißt du was. Ich rufe jetzt meinen Chef an, frag ihn, ob ich heute früher Feierabend machen kann und fahre dann anschließend zu dir nach Hause und sehe nach deiner Oma. Was meinst du?«
»Ich … das kann ich nicht annehmen.«
»Papperlapapp. Du gehst zu diesem Treffpunkt, stellst diesen Vollidioten zur Rede und ich passe in der Zwischenzeit auf deine Oma auf. Oder ich rufe einfach die Polizei. Einverstanden?«
»Einverstanden.« Stella nickte ihrer Freundin zu. »Danke, Katie. Das vergesse ich dir nie.«
»Hey, Ehrensache.« Katie setzte ihr typisches Gute-Laune-Lächeln auf. »Wofür hat man denn Freunde. Ich ruf dich an, sobald ich mehr weiß.«
»Gut … ich auch.«
Mit diesen Worten verschwand Stella durch die offenstehende Eingangstür der Schwarzer Bäckerei , den Brief dabei fest in der rechten Hand. »C« wartete bereits.
Das weiße Stück Papier lag ausgebreitet vor ihm auf dem kleinen Esstisch. Ben hatte es sich auf einem der beiden Holzstühle »bequem« gemacht und starrte unentwegt auf den Inhalt des Briefumschlags. Er überflog kurz die Zeilen, ehe er zu lesen begann:
Lieber Benjamin,
ich möchte dich auf eine Schnitzeljagd einladen. Besser gesagt, sie hat bereits begonnen.
Ich darf davon ausgehen, dass du mir nicht glauben wirst, aber ich kann dir versichern, dass ich die Wahrheit sage. Schließlich würde ich nie vor deiner Liebsten lügen. Sie ist wirklich eine nette, alte Dame, wenn ich das mal so sagen darf. Willst du sie wiedersehen, Benjamin?
Dann besuch mich auf der Allee zu deinen Füßen. Blut wird dein Pfad sein. »C«
Ihm stockte der Atem. Schweiß drang aus jeder Pore seiner Haut und ließ ihn an dem einfachen Stuhl festkleben. Plötzlich hatte er Durst, unbändigen Durst.
Mit einer Leere im Kopf, verließ sich Ben auf seine Urinstinkte und sprang auf. Er bewegte sich hastig auf die Spüle zu und drehte den Wasserhahn auf. Ohne nach einem frischen Glas zu suchen, hielt er einfach seinen Mund unter das kalte Nass und schlang es gierig hinunter.
Erst nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er vom Wasser ab, drehte den Hahn wieder zu und setzte sich. Noch immer spielten Bens Gedanken vollkommen verrückt.
Ich darf davon ausgehen, dass du mir nicht glauben wirst, drang der Satz von »C« in seinen Kopf.
Obwohl der Verrückte der Meinung war, dass Ben den Brief als Unsinn abstempeln würde, war gerade das Gegenteil der Fall. Ben glaubte ihm nämlich jedes Wort. Schließlich hatte er bereits die ganze Zeit über ein mulmiges Gefühl verspürt.
Seine Mama war sonst immer um diese Zeit zu Hause und bereitete das Abendessen vor oder saß auf dem Sofa und sah fern. Nur nicht heute. Heute war sie spurlos verschwunden und das passte ganz und gar nicht zu ihr. All das konnte nur eins bedeuten und zwar dass … dass …
… dieser »C« wirklich meine Mama entführt hat!
Aber warum? Was will er von mir? Was soll ich machen? Dieses Kinderspiel spielen? Das kann doch nicht sein Ernst sein!
Ben konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen. Er machte sich viel zu große Sorgen um seine Mama. Er könnte es nicht ertragen, wenn ihr etwas zustieße. Sie war schließlich alles für ihn.
Okay, okay. Ganz langsam. Ben versuchte sich selbst zu beruhigen. Egal was dahinter steckt, es ändert nichts an der Tatsache, dass ich gar keine andere Wahl
Weitere Kostenlose Bücher