8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
die heißen, schlagfertigen Auseinandersetzungen, doch er verfolgte sie wie ein Unbeteiligter von einem fremden Planeten. Die winzigen, streitenden Figuren auf dem Bildschirm waren amüsante Marionetten, die in einer unbedeutenden Komödie mitwirkten. Unbedeutend für ihn wenigstens.
Für seine Enkel würde sie eines Tages viel bedeuten. Sie traten vielleicht später auf diese selbe Bühne hinaus. Er hatte es nicht vergessen. Sie waren sein Anteil an der Zukunft, über die er keine Macht mehr hatte. Und um die Zukunft zu verstehen, mußten sie die Vergangenheit kennen.
Er nahm sie mit in die Vergangenheit, mit auf seine Erinnerungstour. Diana saß am Steuer, Irene neben ihr, während er mit den Kindern hinten saß und sie auf die Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte. Wenn sie auch noch nicht alt genug waren, um alles zu verstehen, was er ihnen zeigte, so hoffte er doch, daß sie sich später einmal daran erinnern würden.
Vorbei an der marmornen Kühle und Ruhe von Arlington – wieder dachte er an Martin, der am anderen Ende der Welt ruhte – und hinauf in die Berge schlängelte sich das Auto. Hinter ihnen, wie durch ein Kaleidoskop gesehen, tanzte und schwankte Washington im flirrenden Sommerlicht. Am Mount Vernon war es ruhig. So früh in der Woche pflegten nur wenige Besucher zu kommen. Als sie ausstiegen und auf das Gebäude zugingen, kam es Steelman in den Sinn, was wohl der erste Präsident der Vereinigten Staaten gedacht hätte, wenn er sein Heim heute gesehen hätte. Es überdauerte jetzt unverändert sein zweites Jahrhundert, eine Insel im Strom der alles umformenden Zeit.
Sie gingen langsam durch die geschmackvollen Räume, beantworteten lächelnd die endlosen Fragen der Kinder und versuchten sich in das ruhige, gemütliche Leben von damals einzufühlen. (War es den Menschen, die zu jener Zeit hier gelebt hatten, wirklich so ruhig vorgekommen?) Es war so schwer, sich eine Welt ohne Elektrizität, ohne Radio und ohne Motoren vorzustellen. Nur der Wind, das Wasser und die eigene Muskelkraft hatten den Menschen von damals fortbewegt. Eine Welt, in der das Pferd das schnellste Transportmittel war und in der die Leute meist nur wenige Meilen von ihrem Geburtsort entfernt starben.
Die Hitze, das lange Gehen und die vielen Fragen der Kinder ermüdeten Steelman mehr, als er erwartet hatte. Als sie den Musiksalon erreicht hatten, beschloß er, ein wenig zu rasten. Auf der Veranda befanden sich einige einladende Bänke. Von dort aus hatte er einen herrlichen Ausblick über den frischen grünen Park.
»Ich bleibe hier, bis ihr die Küche und die Ställe besichtigt habt«, erklärte er Diana. »Laßt euch ruhig Zeit.«
»Fehlt dir auch nichts?« fragte sie besorgt.
»O nein, ich habe mich nie wohler gefühlt. Aber ich möchte mich nicht übernehmen. Und die Kinder haben mich richtiggehend ausgequetscht – ich fürchte, mir fallen keine Antworten mehr ein. Jetzt bist du an der Reihe. Die Küche ist dein Bereich.«
Diana lächelte.
»Ich war wohl nie eine besonders gute Köchin, nicht wahr? Aber ich werde mein Möglichstes tun. In ungefähr einer halben Stunde sind wir wieder da.«
Als sie fort waren, ging er langsam auf den Rasen hinaus. Hier hatte vor zweihundert Jahren Washington gestanden und an vergangene Kriege und zukünftige Probleme gedacht, während seine Blicke dem gewundenen Lauf des Potomac folgten. Und hier stand Martin Steelman, achtunddreißigster Präsident der Vereinigten Staaten, wenn es das Geschick nicht anders bestimmt hätte.
Er versuchte sich nicht vorzumachen, daß er überhaupt kein Bedauern empfand. Doch dann zuckte er die Achseln. Einigen Männern war es gegeben, zugleich Macht und Glück in Händen zu halten. Diese Begabung besaß er nicht. Früher oder später hätte ihn sein Ehrgeiz verzehrt. Erst in den letzten Wochen hatte er Befriedigung und Frieden gekannt, und für diese Gefühle war ihm kein Preis zu hoch.
Er dachte noch an die Unberechenbarkeit des Geschicks, während seine Zeit langsam ablief und aus dem Sommerhimmel der Tod zu ihm kam.
»… die Tage gingen langsam um und um, endlos und ereignislos wie Kreise im All. Zeit und Bruchstücke der Zeit. Wie viele Jahrhunderte zählte meine Hängematte, wenn sie pendelartig mit dem Schlingern des Schiffs mitschwang und Stunden und Zeitalter an sich vorbeifließen ließ.«
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