8 Science Fiction Stories, Eine Anthologie der Berühmten, 3te Folge
immer noch auf Ihre Antwort, Professor …«
Trotz des hohen Einsatzes, der auf dem Spiel stand, begann Steelman an der Diskussion Spaß zu finden. Die beiden Wissenschaftler hatten selbstverständlich das gleiche Ziel im Auge. Stanjukowitsch dachte allerdings sicher noch weiter als Harkness. Steelman konnte sich die Diskussionen vorstellen, die seiner Person wegen in Moskau und Astrograd stattgefunden hatten. Die sowjetischen Astronauten hatten die Gelegenheit zweifellos mit beiden Händen ergriffen – und wenn er ehrlich war, konnte man es ihnen auch nicht verdenken. Eine Situation, voll von ironischen Zufällen. Noch vor zwölf Jahren wäre sie unvorstellbar gewesen. Da arbeiteten die NAR und die russische Astronautenkommission Hand in Hand, und er war der Bauer in ihrem Schachspiel. Jeder wollte aus ihm seinen Vorteil schlagen. Nicht daß er ihnen deshalb gram gewesen wäre, denn er hätte an ihrer Stelle wohl nicht anders gehandelt. Aber er wollte keine willenlose Schachfigur sein. Er war ein Mensch, der immer noch sein eigenes Geschick zu lenken vermochte. »Es ist wahr«, meinte Stankujowitsch zögernd, »daß wir nur eine beschränkte Anzahl von Patienten nach Mechnikow bringen können. Schließlich ist die Station ein Forschungslabor und kein Krankenhaus.«
»Wie viele?« fragte Steelman unerbittlich.
»Nun – keine zehn«, mußte Stanjukowitsch gegen seinen Willen zugeben.
Es war ein altes Problem, das wußte er, aber er hätte nie gedacht, daß es auch einmal ihn betreffen könnte. Irgendwo aus seinem Gedächtnis kramte er einen Zeitungsartikel hervor, den er vor langer Zeit einmal gelesen hatte. Darin hieß es, daß das Penicillin, als man es entdeckte, so selten war, daß im Falle einer gleichzeitigen Erkrankung von Roosevelt und Churchill nur einer hätte gerettet werden können.
Keine zehn. Er dachte an die Leute, die gemeinsam mit ihm in Astrograd gewartet hatten. Wie viele gab es außer ihnen noch auf der Welt? Wieder, wie so oft in den vergangenen Tagen, sah er das verzweifelte Gesicht einer jungen Frau im Warteraum vor sich. Vielleicht brachte er sein Opfer für sie. Er wußte es nicht. Und er würde es nie erfahren.
Aber eines wußte er. Er trug eine Verantwortung, die er nicht abwälzen durfte. Es stimmte, daß niemand die Zukunft vorhersagen konnte. Noch viel weniger konnte er vorhersagen, was sein Tun für Folgen in der Zukunft tragen würde. Doch wenn er nicht gewesen wäre, hätte jetzt sein eigenes Land auch ein Raum-Hospital, das um die Erde kreiste. Wieviel Leben amerikanischer Bürger hatte er auf dem Gewissen? Konnte er die Hilfe annehmen, die er anderen verweigert hatte? Früher hätte er es wohl getan – aber er war inzwischen ein anderer geworden.
»Meine Herren«, sagte er, »ich kann offen mit Ihnen sprechen, weil ich weiß, daß Ihre Interessen in der gleichen Richtung liegen.« (Er sah, daß ihnen seine gelinde Ironie nicht entging.) »Ich erkenne Ihre Hilfsbereitschaft und die Mühe, die Sie sich gemacht haben, voll an. Es tut mir leid, daß sie umsonst war. Nein, widersprechen Sie mir nicht. Es ist keine plötzliche Entscheidung. Wäre ich zehn Jahre jünger, hätte ich mich vielleicht anders entschieden. Jetzt habe ich das Gefühl, daß man jemand anderem die Chance geben sollte – besonders wenn ich mein Kardiogramm betrachte.« Er sah Doktor Harkness an, der ihn verlegen anlächelte. »Außerdem habe ich noch andere, persönliche Gründe. Sie sehen, ich werde meine Meinung nicht ändern. Halten Sie mich bitte nicht für undankbar oder unhöflich, wenn ich über die Sache nicht mehr sprechen möchte. Ich danke Ihnen noch einmal von ganzem Herzen. Auf Wiedersehen.«
Er unterbrach die Verbindung, und als die Gesichter der beiden Wissenschaftler langsam auf dem Bildschirm verschwammen, kehrte der Friede in sein Inneres zurück.
Unmerklich ging der Frühling in Sommer über. Die sehnlichst erwartete Zweihundertjahrfeier kam und ging vorbei. Zum erstenmal seit Jahren konnte er den Unabhängigkeitstag als Privatmensch feiern. Er konnte sich zurücklehnen und die Akteure betrachten – oder sie ignorieren, wenn er es wollte.
Da es schwer war, die Bande, die man ein Leben lang geknüpft hat, auf einmal zu lösen, verbrachte er viel Zeit damit, alte Freunde zu besuchen. Er wohnte den Debatten bei und hörte den Kommentatoren zu. Jetzt, da er die Welt in einem anderen Licht sah, erregte er sich nicht mehr über die Meinungen und Ansichten der anderen. Noch immer liebte er
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