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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Triefstück, etwas um Mädchen weichzukochen. Seit James Blunt waren Gitarrenspieler wieder hoch im Kurs. Aber wahrscheinlich nur die, denen man nicht die Fresse poliert hatte.
    Â»Kennst du sie?«
    Lovis zuckte mit den Schultern. Er hatte keine Lust mit Gustav über Jenny zu reden.
    Â»Ist sie das Mädchen, das dich von den Gleisen gezogen hat?«
    Lovis starrte aus dem Fenster.
    Â»Reden wir drüber, wenn ich von der Arbeit zurück bin«, meinte Gustav nach einem Blick auf die Uhr. »Kann spät werden heute, aber über Handy bin ich immer erreichbar. Kannst mir jederzeit eine SMS schicken.«
    Â»Ma-ma-mach d-d-dir k-k-keine Sorgen«, brachte Lovis heraus.
    Da war er wieder, der nervös-besorgte Blick von Gustav. Das Stottern machte den Vater noch verrückter als ihn selbst. Lovis wusste wieso. Es erinnerte ihn an die schlimme Zeit.
    Â»Ich habe übrigens mit der Nachfolgerin von Frau Wittkämper telefoniert. Frau Wittkämper hat sich im letzten Jahr zur Ruhe gesetzt. Frau Krumholz klang sehr nett. Du hast morgen um 11 Uhr einen Termin bei ihr.«
    Lovis nickte. Nicht weil er den Termin wahrnehmen, sondern weil er das Thema ganz schnell beenden wollte.
    Â»Und geh bitte heute Nachmittag bei Doktor Krause vorbei. Nur zur Sicherheit. Damit wir wissen, dass die Ärztin im Krankenhaus keinen Mist verzapft hat. Notaufnahme, Schnelldurchlauf, da weiß man nie … Ich habe angerufen. Du musst nicht warten, sie nehmen dich sofort dran. Das schaffst du doch, oder?«
    Wieder nickte er, damit Gustav endlich den Abflug machte. Kaum war die Haustür hinter ihm zugefallen, fuhr Lovis seinen Rechner hoch. Er rief seinen Facebook-Account auf und gab Jenny Schwarzer ein. Acht Jenny Schwarzer in Deutschland, fünf mit Fotos, keine auf den Fotos seine Jenny, drei ohne Foto. Einer davon konnte er eine Nachricht senden. Sollte er das machen und die beiden anderen seinen Freunden hinzufügen, in der Hoffnung, dass sie reagierten? Was sollte er ihnen schreiben? »Bist du die Jenny, die ihren Schülerausweis verloren hat? Dann melde dich bei mir!« Klang blöd, oder?
    Â»Hi Alter, wenigstens bist du online. Hast du vergessen, dass wir heute Mathe schreiben?«, meldete sich Nils.
    Mathe? Schule? Daran hatte er bis jetzt überhaupt nicht gedacht. Aber wie er Gustav kannte, hatte ihn dieser bestimmt krank gemeldet.
    Â»Bin krank«, schrieb er zurück.
    Â»Wie toll für dich! Ist ’ne verdammt heikle Kurvendiskussion. Kannst du mir mal sagen, wie ich Extremstellen berechne? Aber mach schnell!«
    Gegen seinen Willen musste Lovis grinsen. Weil er Nils mit seinem neuen zweiten Smartphone auf dem Klo sitzen sah. Weil er wusste, dass der höchstens drei Minuten Zeit hatte, bis er zurück ins Klassenzimmer musste. Als ob man in drei Minuten kacken könnte, hatten sie Laumann entgegengehalten, als der Mathe-Lehrer zu Beginn des neuen Schuljahres die Regeln für Klausuren verkündet hatte. Aber der hatte sich auf keine Diskussionen eingelassen und sammelte zudem vor jeder Klausur alle Handys an. Deshalb hatte sich Nils ein zweites zugelegt.
    Na ja, kompliziert war die Aufgabe wirklich nicht, und Nils war nicht blöd, der hatte nur manchmal ein Brett vor dem Kopf und kam dann nicht weiter. Lovis schrieb ihm, wo er mit seinen Berechnungen ansetzen musste.
    Â»Thank you«, schrieb Nils zurück. »Ich komm nach der Schule mal bei dir vorbei.«
    Â»Besser nicht. Ich sehe verboten aus«, hämmerte Lovis in die Tasten, aber er erhielt keine Antwort mehr. Klar, Nils hatte sein Handy abgeschaltet und spurtete zurück ins Klassenzimmer. Lovis starrte auf seinen letzten Satz. Wieso hatte er nicht »Magen-Darm, super ansteckend« geschrieben? »Ich sehe verboten aus.« Das war doch direkt eine Aufforderung, vorbeizukommen! Hoffentlich erzählte Nils das keinem.
    Lovis rollte seinen Stuhl zurück zum Schreibtisch und stand auf. Er ging zum Schrank, öffnete die Tür und betrachtete sich im Spiegel. Stumm formten seine Lippen A-O-U-E-I. Dabei verzog er wie ein Breitmaulfrosch den Mund. Dann setzte er ein M als Begleiter vor die Vokale und sagte die Silben erst leise, dann immer lauter auf. »Ma-mo-mu-me-mi, Ma-mo-mu-me-mi, Ma-mo-mu-me-mi.«
    Geht doch, dachte er erleichtert.
    Â»Hi, Nils«, übte er. »Wie war Mathe? A-a-alles klar?« Er deutete im Spiegel auf sein Gesicht. »W-war ein U-u-unfall. Ge-geht …

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