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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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gewesen.
    Â»Hallo Liebes«, murmelte Jasmin, ohne aufzusehen. »Ich brauch noch einen Fluss in Bayern mit drei Buchstaben, dann habe ich das Lösungswort. Schau mal, man kann eine Waschmaschine gewinnen. Und wir brauchen doch dringend eine neue Waschmaschine.«
    Â»Da waren noch Nudeln im Schrank, Mama. Und eine Dose Apfelkompott«, sagte Jenny und merkte, wie in ihrem leeren Magen mal wieder Wut und Sorge miteinander kämpften. »Wieso hast du vergessen, für uns Essen zu machen?«
    Â»Aber die Waschmaschine, Liebes.« Jasmin blätterte eifrig in ihrem Lösungsbuch für Kreuzworträtsel. »Inn«, sagte sie dann stolz und trug die Buchstaben ein. »Bayrischer Fluss mit drei Buchstaben. Es wäre doch toll, wenn ich die Waschmaschine gewinnen würde.«
    Â»Weißt du, wie viele bei so einem Kreuzworträtsel mitmachen?«, schrie Jenny. »Weißt du, wie gering deine Chance ist zu gewinnen?«
    Â»Glück«, murmelte Jasmin und sah Jenny mit großen Augen erschreckt an. »Meinst du, dass ich nicht einmal Glück haben könnte?«
    Jenny drehte sich um, knallte die Tür hinter sich zu und stürmte in die Küche. Sie lehnte sich an den Kühlschrank. Ihr Körper wurde von kleinen, schmerzhaften Schluchzern durchgerüttelt, die Nase füllte sich mit Rotz, Tränen brannten auf ihren Wangen. Dabei wusste sie, dass Heulen nichts nutzte.
    Joe-Joe hielt ihr die Haushaltsrolle hin und fragte: »Machst du mir was zu essen?«
    Jenny schubste den Kleinen weg, nachdem sie sich die Nase geschnäuzt hatte, und stürmte zurück ins Wohnzimmer.
    Â»Gib mir zwanzig Euro, damit ich einkaufen kann!«, fuhr sie ihre Mutter an. »Und koch Joe-Joe die Nudeln!«
    Jasmin nickte eifrig und tastete zwischen den Sofakissen nach ihrem Geldbeutel. Jenny sah, dass nicht mehr viele Scheine drin waren. Dabei dauerte es noch mehr als zwei Wochen, bis die nächste Hartz IV-Rate auf Jasmins Konto eintraf. Jasmin schob einen Zwanziger über den Tisch und drückte ihr einen Fünfer in die Hand.
    Â»Für dich, Jenny! Kauf dir was Schönes. Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen würde.« Ein scheues Lächeln.
    Â»Die Bewilligung für die Klassenfahrt ist wieder nicht in der Post gewesen«, sagte Jenny und steckte die fünf Euro in die Hosentasche.
    Â»Die wollen nicht zahlen, Liebes. Die machen immer nur leere Versprechungen«, flüsterte Jasmin, nestelte eine Schachtel Zigaretten aus der Hosentasche und zündete sich hastig eine an.
    Jenny wedelte den Qualm weg. Bis zum Kiosk hatte es Jasmin heute Morgen also geschafft, dachte sie. Wenn Jasmin es doch nur mal zum Jobcenter am Wiener Platz schaffen und dort Stunk machen würde, weil das Geld nicht kam. Nach Rom sollte die Klassenfahrt gehen. Da war Jenny noch nie gewesen, überhaupt noch nie im Ausland, eine einmalige Gelegenheit, wusste sie. Aber ohne das Geld … Jenny fühlte sich mit einem Mal furchtbar erschöpft.
    Â»Ich geh dann mal einkaufen«, murmelte sie.
    Zum Einkaufsparadies waren es zehn Minuten zu Fuß, es lag zwischen den Bahngleisen und der Roten Burg auf einem ehemaligen Brachland. Als Kinder hatten sie dort Verstecken gespielt oder Blumensträuße gepflückt, und wenn Schnee lag, waren sie auf Plastiktüten den Bahndamm hinuntergerutscht. Ein Heidenspaß, Toni hatte sogar mal einen richtigen roten Bob zum Rodeln mitgebracht. Toni! An den wollte sie nicht schon wieder denken. Mit dem Rodeln und Verstecken war es eh lang vorbei, jetzt gab es nur noch diesen zubetonierten Platz mit Aldi, Fressnapf und Kik, und am Samstag kam manchmal ein Bauer aus dem Bergischen und verkaufte Kartoffeln und Äpfel von einem Lastwagen aus.
    Jenny schnappte sich einen Einkaufswagen und strich an den Regalen entlang. Das Sortiment kannte sie in- und auswendig, genau wie ihre Einkaufsliste. Brot, Milch, Margarine, Marmelade, Streichkäse und Leberwurst. Das Gulasch kaufte sie nicht. Das letzte Mal hatte Jasmin das Fleisch Rintintin und Mimusch gegeben, anstelle daraus eine Mahlzeit zu kochen. Hundefutter in Dosen war billiger. Der Blumenkohl sah richtig gut aus! In einer Fernseh-Koch-Show hatte Jenny neulich ein Gericht mit Blumenkohl gesehen. Asiatisch mit Kokosmilch und Currypaste. Da war ihr das Wasser im Mund zusammengelaufen. Sieh einer an! Es gab ja auch Kokosmilch für 0,99 €! Und Currypaste für 1,29 €. Reis brauchte sie

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