8 Tage im Juni
durch, bevor sie auf den Flur trat. »Hallo«, sagte sie.
Toni! Frisch geduscht, mit weiÃem Hemd, verlegen lächelnd. In der Hand hielt er eine langstielige rote Rose, die er Jenny etwas unbeholfen entgegenstreckte. Joe-Joe kicherte.
»Wollen wir?«, fragte er, nachdem Jenny ihm die Rose abgenommen hatte, aber nicht recht wusste, was sie damit anfangen sollte.
»Ich weià gar nicht, ob ich weg kann heute Abend«, versuchte Jenny aus der Nummer herauszukommen und legte die Rose auf dem Schuhschrank ab. »Ich muss noch mit Rintintin raus, auÃerdem â¦Â«
»Mach dir keine Sorgen, Liebes. Ich kann heute mit Rintintin raus«, unterbrach sie Jasmin. »Wo du doch so gerne ins Kino gehst. Aber spätestens um zehn seid ihr zurück, oder?«
Ausgerechnet jetzt, wo Jenny mal die ängstliche Jasmin gebraucht hätte, um Toni loszuwerden, erwies sich die Mutter als ärgerlich groÃzügig. Wieso jammerte sie heute nicht herum? Wieso machte sie Jenny heute nicht den Abschied unmöglich, weil sie nicht allein bleiben wollte oder konnte?
»Vielen Dank, Frau Schwarzer«, schleimte Toni. »Ich bringe Jenny pünktlich zurück, darauf können Sie sich verlassen.«
Den Weg bis zur Bahnstation legten sie schweigsam zurück. Toni versuchte sein Glück mit zufälligen Berührungen, aber Jenny hielt hartnäckig Abstand. In der Bahn suchte sie einen Platz, wo Toni sich ihr nur gegenüber setzen konnte. Als die Linie 18 über die Mülheimer Brücke ruckelte, starrte sie an ihm vorbei zu den Gondeln hinüber, die in einem goldenen Abendlicht über den Rhein trudelten. Luftig und leicht wirkten die Gondeln. Zu gerne würde sie jetzt mit so einer über die Stadt und den Fluss schweben. Sich treiben lassen. Einfach mal träumen können. Sich von keinem sagen lassen, mach dies und das. Tun, was einem gefällt. Jenny wünschte sich ihr Leben so leicht und luftig wie diese zwischen Wasser und Himmel schwebende Gondel. Auch als sie den Fluss überquert hatten, hielt Jenny den Blick weiter nach drauÃen gerichtet. Sie bemerkte, dass an der SlabystraÃe Kontrolleure in die Bahn stiegen.
»Tut mir leid, dass ich dich so überrumpelt habe«, unterbrach Toni ihr Schweigen. »Aber ich habe gedacht, ich kann sonst bis zum Sankt Nimmerleinstag warten, bis du mal mit mir ausgehst.«
»So nach dem Motto: Frisch gewagt ist halb gewonnen. Bin ich etwa ein Blumentopf, oder was?«, blaffte Jenny und fragte sich gleichzeitig, ob sie wirklich so patzig sein musste.
»Jenny, hey, keine Panik! Denk dran, ich kenn dich ewig, eigentlich seit du auf der Welt bist. Hab doch nur gedacht, dass es nett wäre, über die alten Zeiten zu quatschen und einen schönen Abend zu verbringen. Das ist doch jetzt kein Heiratsantrag oder so was. Also, entspann dich mal! Erst Kino oder �«
»Die Fahrscheine, bitte«, unterbrach ihn einer der Kontrolleure.
Schmierbauch, müder Blick, Wurstfinger. Toni hielt ihm seinen Fahrschein hin und Jenny zog ihr Monatsticket aus dem Portemonnaie.
»Den Schülerausweis dazu«, befahl der Schmierbauch ohne sie anzusehen.
Jenny griff in das entsprechende Fach ihres Geldbeutels, aber da war nichts, in keinem der Fächer fand sie ihren Schülerausweis. Der Schmierbauch wippte ungeduldig mit den FüÃen, Jenny unterzog das Portemonnaie einer zweiten Inspektion. Kein Schülerausweis.
»Der ist weg.«
»Fahren ohne gültigen Fahrschein kostet vierzig Euro.«
Der Schmierbauch fragte nach Jennys Adresse und tippte diese in das komische Gerät ein, mit dem die Kontrolleure immer unterwegs waren. Wo war ihr Schülerausweis? Wann hatte sie ihn das letzte Mal in den Fingern gehabt?
»Wenn du innerhalb von sieben Tagen deinen Schülerausweis bei einer der KVB-Verkaufsstellen vorzeigst, zahlst du nur ein Verwarnungsgeld«, leierte der Schmierbauch und drückte ihr den Ausdruck in die Hand.
Jenny stopfte ihn in ihre Hosentasche. Am Friesenplatz, fiel ihr ein. Sie hatte beim Warten auf die Bahn damit gespielt, sich über ihr hässliches Foto aufgeregt und den Ausweis schnell in die Tasche geschoben, bevor sie zu dem Jungen gerannt war. Sie musste den Ausweis verloren haben, als sie ihn von den Gleisen gezerrt hatte. Schon wieder dieser schreckliche Abend! Immer und immer wieder wurde sie daran erinnert. So sehr sie sich auch anstrengte, es gelang ihr nicht, ihn zu
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