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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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Roten Burg kannte, Busch-People waren. Drei Schwarze, alle dunkler als der Sarotti-Mohr im Schokoladenmuseum. Ein paar Männer mit zerfurchten Gesichtern, die zu Olegs Tartaren gehören könnten. Zwei Frauen in weiten Gewändern mit schweren pechschwarzen Haarzöpfen. Keine Wilden in Baströckchen, die Knochen durch die Ohren gestochen hatten oder so was. Kein Einziger, der aussah, als ob er direkt aus dem Urwald kam. In den Höhlen standen Regale aus Pappkartons, Bettgestelle mit Matratzen, sogar Teppich lag auf dem trockenen Lehmboden. Nirgendwo Töpfe, in denen Katzen und Hunde geschmort wurden. Die Busch-People waren ganz einfach Leute, denen es noch ein bisschen dreckiger ging, die noch ein bisschen ärmer waren als Jenny selbst und die meisten Bewohner der Roten Burg.
    Vor einem der Torbögen hatte man eine kleine Arena mit Sandboden und Hasenzaun aufgebaut, brennende Wachsfackeln markierten die Ecken und beschienen die Federn und Blutflecke auf dem Sand. Zwei alte Busch-People-Männer holten neue Hähne aus ihren Käfigen, klemmten sie unter den Arm, zeigten sie herum. Dürre gerupfte Viecher mit spitzen Schnäbeln und lädierten Kämmen. Toni entschied, einen Zehner auf den Schwarzen zu setzen, reichte einem der Alten den Schein und schob Jenny vor in die erste Reihe, so dass sie genau neben Oleg zu stehen kam. Der setzte einen Zwanziger auf den weißen Hahn und sah Jenny merkwürdig an.
    Zockerstimmung lag in der Luft, der Gestank von Männerschweiß und Hühnerkacke. Als die Hähne in die Arena gesetzt wurden und sofort aufeinander losgingen, beugte sich Oleg zu Jenny hinunter und flüsterte: »Toni keine gute Gesellschaft für dich! Treibt sich mit den falschen Leuten rum.«
    Die Hähne verbissen sich ineinander, flatterten hoch und zurück, Federn flogen durch die Luft, anfeuernde Rufe klangen aus dem Publikum, alle waren völlig auf den Kampf konzentriert. Alle, bis auf Jenny. Was mache ich hier? Warum lasse ich mich einfach so mitziehen?, fragte sie sich. Sie wollte nicht hier sein, nur noch weg, ganz schnell nach Hause. Sie schlängelte sich durch die Meute zurück zum Trampelpfad und stolperte hinauf zum Bahndamm. Vertrauter Boden unter den Füßen, sie wurde ruhiger. Schon fast beim Einkaufsparadies angelangt, hörte sie hinter sich schnelle Schritte klacken. Automatisch umklammerte sie den Kuli in ihrer Hosentasche, bevor sie sich umdrehte. Toni.
    Â»Was bist du denn für eine?«, schnaufte er. »Haust einfach ab! Meinste etwa, ich lass dich allein zurückgehen?«
    Â»Wie lang geht das?«, fragte sie. »Bis einer der Hähne tot ist?«
    Â»Das sind Hühner, Jenny! Die landen doch sonst auch im Kochtopf.«
    Jenny stellte sich einen der totgepickten Hähne vor und schwor sich, nie wieder Hühnerfleisch zu essen. Ihr war schlecht, sie war müde, sie wollte nur noch allein sein. Toni merkte nichts davon, der lief weiter neben ihr her.
    Â»Du tust mir gut, Jenny«, sagte er, als sie zurück in der Roten Burg waren. »Gib mir eine Chance.«
    Eine Chance, wozu?, fragte sie sich. Stattdessen sagte sie: »Danke für die tolle Pizza. War echt die beste, die ich je gegessen hab.« Dann schloss sie schnell die Tür auf und rannte nach oben.
    Rintintin, die Katzenbabys, Mimusch, ein schlafender Joe-Joe. Auch Jasmin war bei laufendem Fernseher und einem Kreuzworträtsel eingeschlafen. Diesmal konnte man eine Fußdusche gewinnen. Jenny deckte sie zu und legte das Kreuzworträtsel beiseite. Ein anderes Wort für Tapferkeit mit drei Buchstaben war die letzte Lücke in dem Rätsel. »Mut« schrieb sie in die Kästchen.
    Mut zu gehen oder Mut zu bleiben?
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    Zum Abendessen schlug Lovis ein paar Spiegeleier in die Pfanne und putzte das Schälchen mit den Erdbeeren weg, die Gustav ihm gestern gekauft hatte. Dann schnitt er sich die Fingernägel der linken Hand und packte seine Gitarre aus. Die Akkorde für den Song, bei dem er Vera begleiten sollte, waren Pipikram. Er summte die Melodie dazu und es munterte ihn auf, das Stück fehlerfrei herunterzuspielen. Ein bisschen schwieriger durfte es schon werden, das wäre nicht schlecht. Warum nicht James Blunt? »No Bravery« oder »Tears and Rain«? Eindeutig Letzteres. Er schlug die Akkorde für das Intro an. G-Dur, D-Dur, zweimal E-Moll, C-Dur, G-Dur, zweimal D-Dur. Dann merkte er, dass er den Text noch kannte.

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