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8 Tage im Juni

8 Tage im Juni

Titel: 8 Tage im Juni Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Glaser
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mit einer Ablenkung und riss mit dem Finger vorsichtig den Umschlag auf.
    Jasmin schüttelte den Kopf. »Ich trau ihm nicht. Wenn es eine Maschine ist, die nach dreimal waschen den Geist aufgibt, dann haben wir den Salat.«
    Jenny verdrehte die Augen, Jasmin deutete auf den Umschlag und fragte: »Wer ist das? Was will er von dir?«
    Jenny fischte den Schülerausweis aus dem Umschlag und zeigte ihn Jasmin. »Den habe ich verloren, er hat ihn mir zurückgeschickt.«
    Â»Aber da ist noch mehr drin, das habe ich gefühlt«, ließ Jasmin nicht locker. »Los, zeig her, was schickt er dir noch?«
    Jenny zog die CD aus dem Umschlag, streifte dabei den Brief, ließ ihn aber noch drinnen. »Für Jenny von Lovis«, stand auf der CD. Die Erkenntnis durchfuhr sie wie ein Blitz. Der Junge aus der U-Bahn-Station. Er hatte ihren Ausweis gefunden. Er wusste, wie sie hieß und wo sie wohnte.
    Als sie aufschaute, traf sie Jasmins Panikblick. Viel zu gefährlich, etwas von der Schlägerei zu sagen, es war schon ein Fehler gewesen, Jasmin in der Nacht von dem Jungen zu erzählen. Hoffentlich hatte sie das längst wieder vergessen! Jetzt musste eine gute Ausrede her, aber schnell. Um Zeit zu gewinnen, drehte Jenny die CD ein paar Mal zwischen den Fingern herum. Musik, na klar.
    Â»Der ist bei mir auf der Schule. In der Bahn reden wir manchmal über Musik …«
    Â»Und wieso schickt er dir dann den Ausweis? Den kann er dir doch viel einfacher in der Schule zurückgeben«, hakte Jasmin hartnäckig nach.
    Â»Was weiß ich? Er ist schüchtern. Außerdem, manchmal treffe ich ihn tagelang nicht.«
    Â»Lovis – was ist das denn für ein Name! Hast du was mit ihm? Was sagt Toni dazu?«
    Jenny atmete tief durch. Sie musste Jasmin beruhigen, sie auf andere Gedanken bringen, und zwar schnell. »Ich hab nichts mit ihm und mit Toni auch nicht« versicherte sie. »Mama, ich hab wirklich andere Sorgen. Es ist immer noch keine Post vom Jobcenter gekommen und morgen muss ich das Geld für die Klassenfahrt bezahlen.«
    Â»Ich habe ja gesagt, die zahlen nicht.«
    Jasmin spulte immer die gleiche alte Leier ab, wenn es um das Jobcenter ging. Immerhin war ihre Neugierde an dem Brief erloschen.
    Â»Dieses ganze Bildungspaket«, machte Jasmin weiter. »Alles nur leere Versprechungen. Wie oft muss ich dir das noch sagen?«
    Â»Das stimmt nicht«, widersprach Jenny. »Die sind nur lahmarschig. Denen muss man Druck machen. Frag die Koslowski. Den Jahresbeitrag für den Fußballverein von ihrem Kevin haben sie auch erst bezahlt, nachdem sie mal auf den Tisch gehauen hat.«
    Â»Aber ich kann nicht auf den Tisch hauen …«
    Jasmins Stimme nur der Hauch eines Flüsterns. Ihr Blick bettelte mal wieder um Verständnis. Jennys Gefühle fuhren Achterbahn. Alles, alles musste sie alleine regeln, niemand half ihr, nichts wurde leichter, es gab immer mehr Probleme. »Was kannst du überhaupt, Mama?«, blaffte sie Jasmin an.
    Schon im nächsten Augenblick tat ihr der Satz leid, aber sie wollte ihn auch nicht zurücknehmen. Die CD in der einen, den Umschlag mit dem Brief und dem Schülerausweis in der anderen Hand drehte sie sich abrupt um, verließ das Wohnzimmer, war froh, dass Joe-Joe nicht im gemeinsamen Zimmer herumturnte, knallte die Tür hinter sich zu, kroch auf das Hochbett und zog sich die Decke übers Gesicht. Doch in dem muffigen Dunkel hielt sie es nicht lange aus. Sie drehte sich auf den Bauch, stemmte die Ellbogen ins Kopfkissen, legte den Kopf auf die Hände und sah hinaus auf die Gleise. Das verwirrende Schienennetz ging ihr auf den Wecker, es machte keinen Spaß, den Zügen hinterherzusehen. Wütend griff sie nach dem Brief des Jungen. Wiedersehen wollte er sie. Das auch noch! Am besten, sie vergaß den Brief, so wie sie sich vorgenommen hatte, die Schlägerei am Friesenplatz zu vergessen.
    Aber statt den Umschlag samt Inhalt in den Papierkorb zu werfen, legte sie die CD ein und stöpselte sich die Kopfhörer in die Ohren. Gitarrenklänge! Schwer gefühlsduselig, Schmachtmusik. Konnte sie gar nicht gebrauchen. Plötzlich ein anderes Stück. Die Gitarre eher angetippt und gezupft als breit geschlagen. Fröhliche, leichte Töne. Das Lied klang nach schönen Sommerabenden am Wasser, nach Lachen und Grillwurst, nach Sorgen in weiter Ferne, nach Jetzt-Leben. Jenny hörte genauer hin,

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