80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Kosmetikartikel zusammengesucht hatte. Durch die Tournee kam es mir so vor, als wäre ich schon vor Monaten fortgegangen, lange bevor ich, wie jetzt, für immer auszog.
»Du hast ja tatsächlich nicht viel. Ich wollte es nicht glauben«, sagte Simón, als ich mit dem Koffer die Treppe herunterkam.
Ich hatte mich kurz hingesetzt und versucht, Dominik ein paar Zeilen zu schreiben, bevor ich die Wohnung verließ – um ihm zu sagen, dass es mir leidtue, und um irgendwie einen Schlusspunkt zu setzen –, aber es hatte mir einfach nichts einfallen wollen. Er war der Schriftsteller, nicht ich.
Am Ende nahm ich einfach meine Sachen und machte die Tür hinter mir zu. Blieb die Hoffnung, er würde irgendwie all die Dinge verstehen, die ich ihm nicht hatte sagen können.
Über meinen Einzug bei Simón machte ich mir keine großen Gedanken. Es schien einfach naheliegend. Es gab dort genügend Platz für mich, zumal ich ja nun auch das Bett mit ihm teilte. Außerdem hatte er einen Übungsraum, was es mir ersparte, einen Raum zu suchen, wo ich den Nachbarn nicht auf die Nerven ging. Es wäre also albern gewesen, ins Hotel zu ziehen. Natürlich hätte ich auch wieder bei Baldo und Marija unterkriechen können. Und Cherry hätte mir bestimmt ihre Couch angeboten, wenn ich sie aufgetrieben und ihr meine Lage erklärt hätte, obwohl ich zu stolz war zuzugeben, dass sie recht gehabt hatte. Ich hatte ohnehin die Nase zu hoch getragen.
Simón beeilte sich, mir Platz in seinem Kleiderschrank frei zu räumen. Auch in seinem Badezimmerschrank hatte ich über Nacht ein Fach für mich. Nach und nach breitete ich mich mit meinen Sachen in seiner Wohnung aus. Wir gingen zusammen aus und wurden gemeinsam zum Essen eingeladen, und seine Freunde hielten uns für ein Paar, bevor ich überhaupt eine Chance hatte zu erklären, dass es für mich nur ein vorübergehendes Arrangement war.
Ehe ich mich versah, befand ich mich in einer neuen Beziehung.
Simón war leidenschaftlich und hatte eine stärkere Libido als alle anderen Männer, auf die ich mich bisher eingelassen hatte. Sogar stärker als Dominik. Wir hatten Sex am Morgen, wir hatten Sex am Abend und oft auch noch einmal im Laufe des Nachmittags. Wir liebten uns häufig und heftig, und obwohl ich wusste, dass ich besser eine Weile allein geblieben wäre, ehe ich mich Hals über Kopf einem neuen Mann in die Arme warf, brauchte ich es einfach. Wenn Simón auf mir lag, löschte sein Körper die schrecklichen Gedanken in mir, die mich oft mitten in der Nacht überfielen.
Oft kreisten sie um Dominik. Dann überlegte ich, ob unsere Beziehung überhaupt jemals eine Chance gehabt hatte. Vielleicht, wenn ich ehrlich zu ihm gewesen wäre. Und er nicht so eifersüchtig. Wenn ich auf die Tournee verzichtet hätte. So viele Wenns.
Mir fehlte seine harte Hand. An Simón war alles weich und warm, angefangen von seinem Körper bis zum Goldton seiner Haut, von der Ungezwungenheit, mit der er zu lachen begann, bis zum Elan, mit dem er Dinge in Angriff nahm, sei es nun Sex, Essen oder Musik. Bei all dem zeigte er einen enormen Appetit und eine fröhliche Grundhaltung, die Dominik zwar ein wenig gefehlt hatte, die mir aber nun manchmal auf den Geist ging. Mit seinem federnden Schritt und seinen sprühenden Locken war er ein Energiebündel vom Scheitel bis zur Sohle, und das von morgens bis abends.
Es war, als wäre man mit dem Sonnenschein liiert. Irgendwann begann ich, mich nach ein wenig Regen zu sehnen.
Eines Abends gingen wir ins Kino. Während des Films hatte Simón meist seine Hand unter meinem Rock. Ich bemühte mich nach Kräften, es zu ignorieren, um nicht die Leute auf den Nachbarplätzen auf uns aufmerksam zu machen. Da es eine Superheldengeschichte war, die sowohl Jugendliche als auch Erwachsene anzog, waren es nämlich hauptsächlich Familien. Simón war nicht nur in dieser Hinsicht das komplette Gegenteil von Dominik. Abgesehen von seiner Kleidung, auf die er großen Wert legte, war es ihm ziemlich egal, wie er in der Öffentlichkeit wirkte.
Den Rückweg wollte er zu Fuß statt mit dem Taxi machen. Er fand, dass er ein bisschen zugenommen hatte, seit ich bei ihm wohnte, und achtete nun darauf, sich täglich Bewegung zu verschaffen. Vielleicht geschah es nicht ganz ohne Hintergedanken und nicht ganz zufällig, dass wir dabei auf der Sixth Avenue kurz hinter der 18th Street an einem Sexshop vorbeikamen.
»Ich dachte, wir probieren mal was Neues aus«, flüsterte er mir schelmisch ins
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