80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Provokation einer Hure, ohne ihrem Publikum auch nur die geringste Beachtung zu schenken. Als wäre die Kunst des Ausziehens und des neckisch-verspielten Enthüllens etwas tief Privates, das sie allein für sich selbst tat, ein höchst persönlicher Trip ins Zentrum ihrer Lust.
»Sie ist in Trance«, flüsterte Summer Dominik zu. Beide verfolgten die Darbietung wie gebannt.
Rasch schlüpfte Luba aus ihrem hauchdünnen Gewand. Im grellen Licht des Scheinwerfers schimmerte ihre Haut noch weißer als Weiß. Die einzigen Farbpunkte waren das zarte Rosa der Nippel ihrer festen kleinen Brüste und die kaum wahrnehmbaren Umrisse ihrer weichen Scham. Ansonsten floss ihr Körper wie Milch durch die perlenden Melodien des französischen Komponisten. Dominik entdeckte knapp über ihrer Möse ein kleines Tattoo. Zunächst hielt er es für eine winzige blaue Blume, dann für die Miniaturdarstellung womöglich einer Pistole. Richtig erkennen konnte er es jedoch nicht, da es sich bei jeder Bewegung ihres Körpers zu verändern schien. Warum sollte sie eine Pistole an der geheimsten Stelle ihres Körpers tief in ihre Haut eingeätzt haben? Er wusste so wenig vom Leben der anderen.
Wie gern würde er mehr darüber erfahren.
Welche Geschichte könnte Luba erzählen?
Summers Finger, die über den harten Knoten strichen, der mittlerweile seine Hose spannte, riefen ihn in die Realität zurück. Die Darbietung hatte auch auf sie ihre Wirkung nicht verfehlt.
Mit der Eleganz eines Vogels im Flug glitt die russische Tänzerin von einer akrobatischen Figur in die nächste. Was sie dabei mit großer Freizügigkeit von ihren intimsten Stellen zeigte – die gekräuselte hellbraune Rosette ihres Anus, das perlmuttschimmernde Rosa ihrer inneren Höhle, die sichtbar wurden, wenn sie bei einer athletischen Bewegung die Beine grätschte –, schien sie nicht zu kümmern. Ihr Gesicht zeigte bei alldem keine Regung, blieb von majestätischer Ausdruckslosigkeit, wirkte überlegen.
Als das Stück von Debussy sich dem Ende näherte, seufzte Dominik bedauernd. Seinethalben hätte die Show noch ewig weitergehen dürfen. Summers Hand lag auf seinem Oberschenkel, und er konnte in ihren glühenden Fingerspitzen ihr Blut pulsieren spüren. Er beugte sich zu ihr hinüber und legte den Mund an ihr Ohr.
»Eines Tages werde ich dich vielleicht bitten, eine Bühne zu betreten und dich auf ebenso schamlose und elegante Weise zu präsentieren. Würde dir das gefallen, Summer?«
Die Hitze schoss ihr in die Wangen, während sie nach Worten suchte, die ihr aber offenbar nicht über die Lippen kommen wollten. Deutlich sichtbar kämpften in ihr die verschiedensten Emotionen. Für Dominik war das Antwort genug.
Als die letzten Töne der Musik verklangen und Lubas Bewegungen verhaltener wurden, als sie sich aufrichtete, die Beine nebeneinanderstellte und die Pobacken anspannte, sah Dominik aus den Augenwinkeln die Directrice mit der Karnevalsmaske und in dem flammend roten Kleid zur Bühne eilen. Sie trat neben die Tänzerin, gerade als Luba wieder zur reglosen Statue erstarrte.
Jäh erlosch der Scheinwerfer, und die kleine Bühne verschwand in der Dunkelheit.
Die Zuschauer an den anderen Tischen rührten sich nicht. Vielleicht war die Darbietung ja noch nicht zu Ende.
Da knisterte es in den Lautsprechern. »Bitte zeigen Sie Luba Ihre Wertschätzung«, bat eine Frauenstimme. Mit einem Schlag war der Bann gebrochen, und die Zuschauer an den einzelnen Tischen begannen zu applaudieren, erst verhalten, dann immer lauter. Kurz darauf huschte eine zierliche Gestalt zurück auf die Bühne.
Luba. Die Tänzerin.
Inzwischen hatte sie sich in einen Bademantel mit Leopardendruck gehüllt, der ihre Formen verbarg. Sie schien viel kleiner als eben noch im gleißenden Licht des Bühnenscheinwerfers.
»Sie sieht plötzlich ganz winzig aus«, stellte Summer fest.
»Kannst du tanzen?«, fragte Dominik.
»Nicht ansatzweise so gut wie sie«, antwortete Summer.
»Ich würde dich gern tanzen sehen.«
»Aber ich bin ein Trampel. Ich habe weder Rhythmusgefühl noch Anmut.«
»Nein, du tanzt sicher großartig. Du bist Musikerin. Da hast du es doch im Blut, oder?«
»Du würdest dich wundern.«
Dominik trank einen Schluck. Aus den Lautsprechern tönten gedämpft und wie aus weiter Ferne die hypnotisierenden Klänge von Ravels Boléro . Ob wohl noch eine weitere Künstlerin auftreten sollte? Oder würde die rätselhafte Luba erneut auf die Bühne kommen?
Er sah Summer in die
Weitere Kostenlose Bücher