80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
Summer vom Balkon des Tujague’s unter sich die Menge betrunken durch die Straßen ziehen.
Beim Glockenschlag hatte er sie in die Arme genommen und geküsst. So unspektakulär das war, es fuhr ihr dennoch direkt ins Herz.
Wenn doch nur alles so einfach wäre, dachte Dominik. Wenn das doch reichen würde.
Aber jetzt hatten sie erst einmal einen Termin.
5
TANZ IM DUNKELN
Ich wollte nackt tanzen, aber die Directrice wollte davon nichts hören.
Noch immer in ihrem roten Kleid und mit der Schnabelmaske wirkte sie ehrfurchtgebietend. Die Maske war gruselig, sie sah damit aus, wie man sich den Geschichtsbüchern nach einen Pestarzt für Reiche vorstellt. Ich folgte ihr zu den Garderoben hinter der Bühne und zum Kostümfundus.
Der hohe, lang gestreckte Raum wirkte wie eine Höhle oder auch das Innere eines Bauchs. An seinen blutroten Wänden hingen Abendkleider, geordnet nach Farben und Stoffen; Roben aus Seide und mit Perlenstickerei, dazu die passenden Schuhe, etwa turmhohe Stilettos oder elegante Ballerinas und jede Menge Tanzrequisiten wie Federfächer. Über allem schwebte ein großer vergoldeter Vogelkäfig, der von der Decke hing. Darin hockte eine Frau in einem weißen Taubenkostüm und verfolgte das Treiben unter sich mit neugierigen Blicken.
Ebenso neugierig schaute ich zu ihr hinauf.
»Gar nicht drauf achten – sie probt für die Show morgen Abend«, sagte die maskierte Frau ungeduldig. Sie deutete auf die riesige Auswahl an Kleidern. »Suchen Sie sich etwas aus.«
»Ich tanze lieber nackt.«
Ich wollte selbst bestimmen, wie ich auf die Bühne trat, und mich nicht den voyeuristischen Bedürfnissen eines Publikums zuliebe ausziehen, zumal ich es schon immer schwierig gefunden hatte, anmutig aus einem Kleid zu schlüpfen und es elegant zur Seite zu werfen. Nein, wenn ich schon nackt auftreten sollte, dann wollte ich den Tanz auch nackt beginnen und mich nicht vor den Zuschauern entblättern. Nicht einmal für Dominik.
Wir lieferten uns ein Duell mit Blicken. Das heißt, ich versuchte es, denn wegen der Maske konnte ich nicht genau erkennen, wohin sie ihre Blicke verschoss.
»Dann tragen Sie eben das«, sagte sie schließlich und übersah geflissentlich mein triumphierendes Lächeln. Sie reichte mir ein hölzernes, mit schwarzem Samt ausgeschlagenes Kästchen, das ein Schmuckset enthielt: zwei Nippelclipse, zwei dazu passende Klemmen für meine Schamlippen und einen kleinen Analstöpsel. Sie waren mit Edelsteinen in einem Rostrot verziert, das fast meiner Haarfarbe entsprach. Die Frau hielt einen der Nippelringe ins Licht und ließ ihn ein wenig baumeln, um mir zu zeigen, wie der Stein glitzerte und funkelte.
Ich versuchte mich gegen den Analstöpsel zu wehren, aber in dieser Frage blieb sie unerbittlich. »Ihr Wohltäter wird das so haben wollen.« Hatte Dominik ihr aufgetragen, mich damit auszustaffieren, oder war es ihre Idee?
Sie legte mir den Körperschmuck an, nicht ohne den Analstöpsel mit etwas mehr Kraft einzuführen, als unbedingt nötig gewesen wäre. Wahrscheinlich aus Rache, dass ich nicht in einem ihrer Kostüme auftreten wollte.
Die Frau im Käfig hatte unseren Disput von oben herab aufmerksam, aber schweigend verfolgt.
Die Ringe taten ein bisschen weh, besonders die Nippelklemmen, aber der Schmerz war noch im Lustbereich.
Ich folgte der Frau durch einen Gang zu dem Samtvorhang, der den Weg zur Bühne freigab. Ich hielt die Luft an. Wenn ich jetzt einfach stehen blieb, könnte man das Ganze vielleicht noch abblasen; womöglich hatte Dominik es sich unterdessen auch anders überlegt. Ich hatte noch immer keine Ahnung, was ich eigentlich tun sollte, wenn die Musik einsetzte.
Die Directrice legte mir die Hand auf den Rücken und schob mich durch den Vorhang.
Im ersten Moment war da nichts als Finsternis.
Dann ein Spot wie aus dem Nichts, ein greller Lichtstrahl, der meinen Körper beleuchtete wie der Schein einer unerbittlichen künstlichen Sonne. Ich war total geblendet.
Ich suchte nach Dominik, der irgendwo rechts an unserem Tisch sitzen musste, aber ich sah nichts als das Licht der Scheinwerfer, das auf meine Augen traf.
Dann setzte die Musik ein.
Sofort hob ich instinktiv die Arme, als hätte ich Geige und Bogen in der Hand.
Doch dann rührte ich mich nicht vom Fleck. Ich bin Musikerin, keine Tänzerin. Trotzdem stand ich jetzt hier, gefangen in Dominiks Anweisungen, der einem Puppenspieler gleich die unsichtbaren Fäden in der Hand hielt. Kaum dachte ich an ihn, spürte
Weitere Kostenlose Bücher