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80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
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hochgewachsener Schwarzer in einem makellosen Smoking mit kahl rasiertem Schädel unterzog sie einer genauen Musterung, während er sie begrüßte. Offenbar konnten sie vor seinem kritischen Blick bestehen, denn er bat sie herein. Auf einem niedrigen Tisch neben der Treppe, die in die oberen Stockwerke führte, stand ein Tablett mit langstieligen Gläsern. Der eindrucksvolle Empfangschef goss ihnen Champagner ein und bat sie zu warten, dann verschwand er durch eine Seitentür.
    »Was ist das hier?«, fragte Summer, ehe sie einen Schluck probierte. Der Champagner war gut, Dominik aber trank nichts.
    »Eigentlich ein Stripclub. Aber ein privater.«
    »Ein Stripclub?«
    »Ja, und ein sehr exklusiver«, fügte Dominik hinzu. »Es gab Zeiten, da war in New Orleans alles möglich. Im Lauf der Jahre wurde es aber immer kommerzieller und zugleich auch zahmer. Früher zeigten sie sich in den Striplokalen an der Bourbon Street auch ›unten ohne‹, aber das ist vorbei. Heute ziehen sie sich aus, lassen aber den Stringtanga oder den Schlüpfer an. Es ist auch schäbig geworden und die reine Abzocke. Aber hier in diesem Club soll es noch so zugehen wie früher.«
    »Hier ist alles möglich?« Summer verspürte das vertraute Kribbeln unter der Haut.
    »Genau.«
    »Ich habe mir einmal eine Burlesque-Show angesehen«, sagte sie. »Und es hat mir gefallen. Hauptsache, es ist nicht zu ordinär.«
    »Angeblich nicht.«
    Da trat eine Frau mit einer weißen Karnevalsmaske vor dem Gesicht auf sie zu. Ihr Haar war pechschwarz und fiel ihr auf die Schultern wie ein seidener Vorhang. Ihr langärmeliges rotes Samtkleid, offenbar ein wertvolles altes Modell, schmiegte sich eng an ihren Körper und ließ nichts als ihren Hals und zwei erstaunlich dünne Fußgelenke über gefährlich hohen Plateauschuhen frei.
    »Ich bin heute Abend Ihre Directrice und für Ihr Wohlergehen verantwortlich. Hier entlang bitte«, sagte sie und wies auf die Treppe.
    Dominik hasste nichts so sehr wie Vulgarität und hoffte daher, dass dieser Abend nicht peinlich wurde.
    Die Tische, an denen die Gäste Platz genommen hatten, standen im Halbkreis und boten Blick auf eine behelfsmäßige Bühne mit den Ausmaßen etwa eines Boxrings. Es hatten sich höchstens fünfzig Zuschauer versammelt, zählte Dominik, und abgesehen von Summer und ihm gab es nur drei andere Paare. Die Gäste blieben an ihren Tischen für sich; nur ganz selten wagte mal jemand einen Blick zu einem Nachbartisch.
    Anfangs war es dämmrig im Raum, doch irgendwann wurde ein Scheinwerfer eingeschaltet, der sein blendend weißes Licht auf die Mitte der Bühne warf. Für die Dauer eines Wimpernschlags wurde der Raum noch einmal in völlige Dunkelheit getaucht, dann aber flammte der Scheinwerfer unversehens wieder auf, und mitten im Lichtkegel stand eine junge Frau – eine Erscheinung wie aus dem Nichts.
    Sie stand da mit majestätischer Grazie, das Gesicht umgeben von einem medusenhaften blonden Lockenkranz, die Haut alabasterweiß. Am Leib trug sie nichts weiter als ein unvorstellbar dünnes Baumwollgewand, das im Licht des unbarmherzigen Scheinwerfers fast durchsichtig war. Umso deutlicher erkannte man die puppenhafte Zerbrechlichkeit ihrer Taille und die endlos langen Beine. Sie war barfuß.
    Anfangs stand sie völlig bewegungslos da, wie eine Statue, während die Leute im Publikum erregt nach Luft schnappten.
    Dann hörte man an einem leisen Summen und einem unbestimmten Rauschen, dass die Lautsprecheranlage eingeschaltet worden war.
    »Ich heiße Luba«, raunte es von allen Seiten. Russischer Akzent, eine Schlafzimmerstimme. Die Lautsprecher umfingen die Zuschauer mit ihrem Klang und brachten die zuvor aufgezeichnete Tonkonserve jedem von ihnen so nahe, als flüsterte Luba ihnen ganz persönlich ins Ohr. Dominik sah, dass Summer ihr Glas losließ, und spürte, dass sie unter dem Tisch nach seinem Oberschenkel griff. Die Inszenierung war ausgesprochen effektvoll, dabei war die Frau allein schon aufsehenerregend genug.
    Plötzlich setzte Musik ein.
    Ein klassisches Stück, impressionistische Kaskaden sanfter, feiner Töne, die Dominik ans Meer und die sonnenglitzernde Oberfläche leicht bewegter Gewässer erinnerte.
    »Debussy«, sagte Summer leise.
    Luba erwachte zum Leben. Sie blinzelte, senkte kaum wahrnehmbar eine Schulter, hob einen Fuß vom Boden, drehte den Arm und öffnete die Hand wie eine Blume.
    Sie bewegte sich mit der Anmut einer ausgebildeten Balletttänzerin und der wohldosierten

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