80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
einziehen sollte, um die Wohnung nicht ungenutzt leer stehen zu lassen. Anfangs zögerte sie, ihre kroatischen Freunde zu verlassen, aber inzwischen freute sie sich darauf, den fröhlichen Rammelgeräuschen, die sie oft genug um den Schlaf brachten, entfliehen zu können.
Sie erzählte Dominik immer deren neueste Heldentaten, wenn sie wieder miteinander telefonierten. Er lachte aus vollem Herzen, wenn er von den knackigen Abenteuern der lüsternen Kroaten hörte. Nach den Telefonaten fragte sich Summer öfter nachdenklich, warum sie ihn eigentlich so selten in natura lachen sah.
Da Dominik das Loft bisher nur von Fotos kannte, ließ er sich alles genau beschreiben, nachdem Summer eingezogen war.
»Außer dem abgetrennten Schlafzimmer ist es ein einziger großer Raum mit glänzendem Holzboden. Wie ein Ballsaal.«
»Wirklich?«
»Und die Küche ist total Hightech. So etwas hatte ich noch nie, Arbeitsplatten aus Granit und hypermoderne Geräte. Wie aus einem Science Fiction! Keine Ahnung, ob ich hier so etwas wie ein Omelett oder Bohnentoast hinkriege – das wäre bei so viel Küchentechnik bestimmt ein Sakrileg.«
»Wir können essen gehen«, schlug Dominik vor.
»Nein«, sagte Summer. »Ich will dich bekochen. Das habe ich bisher noch nie für einen Mann, einen Liebhaber, getan.«
»Gut, ich verstehe. Also keine Korsetts und alten Geigen mehr. Künftig werde ich dir Kochbücher voller eigenartiger Rezepte schenken müssen.«
Summer gluckste. »Es gibt riesige Erkerfenster. Und ganz viel Licht, aber keine Aussicht. Man sieht nur auf die große graue Fassade des Gebäudes gegenüber, das keine Fenster hat, da sind nur Rohre und Metallgitter. Ziemlich hässlich. Allerdings hat es den Vorteil, dass es nachts totenstill ist, obwohl viele Lokale hier unten auf der Straße bis spätabends geöffnet haben. Es ist geradezu unheimlich friedlich.«
»Und nicht einsehbar?«
»Genau«, bestätigte sie. »Von keiner Seite.«
»Wunderbar. Ich will natürlich, dass du nackt übst, wenn ich da bin.«
»Ich hatte mir schon gedacht, dass du das Loft ausschließlich deswegen ausgesucht hast.«
»Ganz genau«, bestätigte Dominik.
Unaufgefordert und ohne sein Wissen hatte Summer es sich bereits angewöhnt, nackt im Loft herumzulaufen, ob sie nun gerade Geige spielte oder nicht. Sie fühlte sich wohl damit, an der Grenze der Erregung, und es schien ihr ganz natürlich. Denn das Loft war für sie eine Art Paradies, eine Spielwiese der Unschuld.
Summer gefiel das Karge der Wohnung: die minimalistische Linienführung und die weißen Wände, das unverputzte Mauerwerk, das zwischen den stählernen Deckenbalken und in regelmäßigen Abständen auf den immensen Wandflächen wie künstlerisch gesetzte dunkle Farbflecken zum Vorschein kam.
Sie kaufte ein paar Orchideen und verteilte sie im Loft, um zurückhaltende Farbakzente zu setzen. Doch sie zögerte, eine der tropischen Pflanzen ins Schlafzimmer zu stellen, da sie keine Ahnung hatte, was Dominik von Blumen hielt. Es gab noch so viel, was sie an ihm erst kennenlernen musste.
Wie würde es sein, mit ihm zusammenzuleben?
Dadurch, dass Dominik es möglich gemacht hatte, nach New York zu kommen, konfrontierte er sie mit einer brandneuen Situation. Es war eine bedeutsame Entscheidung, mit ihm zusammenzuziehen, auch wenn sich Summer gar nicht erinnern konnte, wann sie dem eigentlich zugestimmt hatte. Es hatte sich einfach so ergeben, ganz selbstverständlich, als hätte ihr Körper sich entschieden, ohne ihren Verstand zu befragen.
Es war schon Ewigkeiten her, seit sie mit einem Liebhaber zusammengelebt hatte. Hingegen hatte sie auf ihren Reisen jahrelang in Zweckwohngemeinschaften gelebt: in Australien, London, New York …
Würde es gut gehen?
Konnte das gut gehen?
»Schön, dich bald hierzuhaben«, sagte sie.
»Ich freue mich darauf«, entgegnete Dominik.
Da kam ihr ein Gedanke. »Bringst du Bücher für deine Recherchen mit?«, fragte sie. »Soll ich vielleicht ein paar Regale besorgen, bei Ikea oder so? Das mache ich gern.«
»Nein, nicht nötig«, sagte Dominik. »In der Public Library gibt es alles, was ich brauche. Und mehr.«
»Okay.«
»Nur noch ein Monat«, sagte Dominik.
»Ja.«
»Eine Sache wäre da noch … du kennst ja unsere Vereinbarung. Wenn du in den kommenden Wochen das Bedürfnis hast, mit jemandem zusammen zu sein …«
»Ja?« Ihr stockte das Herz.
»Dann geht woandershin, aber nicht ins Loft.«
»Verstehe.«
Summer wusste nicht so recht, ob
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