80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
mit meinem damaligen Freund in Neuseeland im Westpac Stadion Wellington, wo die Kiwis 7er-Rugby gegen Samoa gespielt hatten. Es war ein äußerst schnelles Spiel, und zu meiner Überraschung hatte mir das Zuschauen richtig Spaß gemacht, obwohl ich mich sonst nicht für Sport interessierte. Die meiste Zeit hing ich allerdings der Fantasie nach, die Jungs hinterher in der Umkleidekabine zu besuchen. Es waren unglaublich stramme Kerle mit Körpern wie junge Götter und derart kurzen Shorts, dass ich mich wunderte, wieso der Besuch der Sportveranstaltung jugendfrei war. Hinterher hatten wir Sex, und ich malte mir mit geschlossenen Augen aus, dass mich erst einer dieser muskulösen Spieler und dann ein anderer nahm – aus beiden Teams einer. Wenn ich mich hätte entscheiden müssen, wäre die Wahl auf die Samoaner gefallen. Die sahen einfach besser aus.
Bei einer derartigen Verabredung weiß man nie, was man anziehen soll. Läuft man bei einer Sportveranstaltung in High Heels auf, sieht das albern aus, zieht man sich zu freizeitmäßig an, fühlt man sich hinterher im Lokal nicht wohl. Ich entschied mich für ein rostrotes, wollenes Etuikleid, das ich mit halterlosen Strümpfen, flachen Schnürstiefeln und meiner Handtasche aus Schlangenlederimitat ergänzte.
Simón kam zünftig als Cowboy, mit weißem Hemd und Jeans und einem braunen Leder-Stetson auf den Locken. Dazu trug er einen schwarzen Gürtel mit einer großen silbernen Schnalle in Form eines Totenkopfs und kastanienbraune spitze Stiefel mit eingeprägtem Totenkopfmotiv. Als hätte er es darauf angelegt, am unteren Ende seines Körpers eine Entsprechung zu seiner extravaganten Haarpracht zu schaffen. Jeder andere hätte in dieser Aufmachung lächerlich gewirkt, aber Simón verstand es, so etwas mit einer Selbstsicherheit zu tragen, die jeden Zweifel an seinem Geschmack im Keim erstickte.
Er nahm meine Hand und führte mich im Stadion die Stufen hinunter zu unseren Plätzen in einer der vorderen Reihen, von wo man einen perfekten Blick auf das Geschehen hatte. Mindestens die Hälfte der Zuschauer trug Cowboyhüte, die Frauen meist blau-rot karierte Blusen und Jeans. Soweit ich sehen konnte, war ich die Einzige, die ein Kleid anhatte. Es war ziemlich heiß, was bei der Menschenmenge, den vielen Scheinwerfern und der allgemeinen Aufregung vor dem Beginn der Show kein Wunder war. Ich roch den Sandboden, auf dem sich bald die Reiter und Bullen miteinander messen würden, ein staubiger Kupfergeruch, der mich an Nordaustralien erinnerte, wo ich kurze Zeit gearbeitet hatte, bevor ich nach Großbritannien ging.
»Erklär mir die Regeln«, sagte ich.
»Vergiss die Regeln, schau einfach zu. Ein Ritt dauert maximal acht Sekunden, und das schaffen nur die besten Reiter, es bleibt also nicht viel Zeit für Erklärungen.«
Simon hatte recht, die meisten Reiter wurden schon nach drei, vier Sekunden abgeworfen. Aber ein paar Sekunden auf dem Rücken eines solchen Tieres waren sicher schon eine halbe Ewigkeit. Nie hatte ein Bulle alle vier Hufe gleichzeitig auf dem Boden; einer sprang mit seinem Reiter anderthalb Meter in die Höhe, und das nicht nur einmal. Die Tiere bockten, als würde der Boden unter Strom stehen, sie schnaubten und buckelten und wuchteten ihre annähernd eine Tonne Lebendgewicht in die Höhe, als wären sie gedopt.
Die Reiter sahen ganz anders aus, als ich sie mir vorgestellt hatte. Die meisten waren klein und drahtig wie Turner. Sie glichen die Manöver der Bullen durch geschickte Konter aus, bewegten sich sehr präzise und mit perfekter Geschwindigkeit vor oder zurück, nach links oder rechts. Sie wirkten eher wie Aufziehpuppen als wie richtige Männer. Mehrmals wurde ein abgeworfener Reiter um Haaresbreite zu Tode getrampelt und erst im allerletzten Moment aus dem Bereich der stampfenden Hufe eines Tiers gezogen.
Simon schaute mit glänzenden Augen zu, er schrie und sprang auf, wenn es ein Reiter schaffte, sich mehr als ein paar Sekunden auf dem Rücken eines Tiers zu halten.
»Stell dir vor, du hast so ein Vieh zwischen den Beinen«, seufzte er.
»Hm«, meinte ich nur und saugte die letzten Tropfen meiner Cola durch den Strohhalm ein.
»In Venezuela jagen die Reiter die Bullen zu Pferd und bringen sie zu Fall, indem sie sie am Schwanz packen. Wir nennen das Coleo.«
»Hört sich einfacher an als das hier.«
»Sehr gefährlich, so etwas einem Venezolaner ins Gesicht zu sagen!«
»Ich habe nichts gegen ein bisschen Gefahr. Sonst wäre ich
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