80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
ein Jahrzehnt später rein aus Neugier nach ihr googelte, fand er heraus, dass sie in Bordeaux Soziologie unterrichtete und sogar eine Doktorarbeit über ein höchst anspruchsvolles Thema verfasst hatte. Allerdings hatte er keine Lust, sie zu lesen.
Es war der reine Zufall gewesen, dass die Busfahrscheine ihnen zwei Plätze nebeneinander beschert hatten, was sie zusammenbrachte und schließlich völlig unerwartet zu seiner ersten Erfahrung mit Analsex führte. Seither ließ sich Dominik entspannt vom Strom des Lebens mal hierhin, mal dorthin treiben, ohne sich gegen irgendwelche Richtungswechsel zu wehren.
Haftete ihm der Geruch von Büchern an, dass so viele seiner Zufallsbekanntschaften aus dem akademischen Milieu stammten? Miranda, seine Sitznachbarin auf dem Flug nach New York, arbeitete am Hunter College an der Upper East Side in der Verwaltung. Dominik war schon immer ein begnadeter Redner gewesen. Seine charismatische Ausstrahlung war eine seiner Stärken als Dozent. Wenn er sich in einem Thema auskannte, konnte er stundenlang darüber improvisieren, Theorien ausbreiten, alle möglichen Gedanken einstreuen und die schrägsten Ideen souverän vertreten, ohne sich je in uninteressantem Kleinkram zu verlieren oder wie ein Angeber zu wirken. Der große Gatsby war für ihn ein Heimspiel, und so wurde ihnen bei scherzhaftem Geplauder die Zeit nicht lang. Im Nu waren die sieben Stunden vorbei, und er hatte kaum Zeit gehabt, an Summer zu denken und wie sie es hinkriegen würden, in New York zusammenzuleben.
Miranda trug ein graues Businesskostüm mit knielangem Rock, der ihr aber durch ihre Bewegungen auf dem Sitz während des Flugs halb die Oberschenkel hochrutschte. Ihre enge weiße Bluse klaffte zwischen den Knöpfen ein bisschen auf, insbesondere auf Höhe des schwarzen BH s, den sie gut sichtbar daruntertrug. Ihr wundervoll zarter Hals färbte sich immer tiefer rosarot, je länger der Flug dauerte.
Dominik erfuhr, dass sie geschieden war und allein in der Upper East Side lebte. Im Gespräch streckte sie immer wieder die Hand aus und berührte seinen Unterarm, wenn sie etwas betonen wollte, ein paarmal legte sie sie ihm sogar aufs Knie. Mit Körpersprache kannte Dominik sich nicht besonders gut aus, aber er wusste, dass er das selbst oft ganz unschuldig und unbewusst tat. Allerdings nur bei Frauen, die er attraktiv fand.
Am JFK-Flughafen angekommen, tauschten sie ihre Kontaktdaten aus und verabredeten, in Verbindung zu bleiben. Dominik notierte sich ihre Telefonnummer auf der Rückseite einer Visitenkarte. Da er sich für New York eine neue Nummer zulegen wollte – es war einfach zu teuer, immer über England zu telefonieren –, lag der erste Schritt bei ihm. Er hatte ihr bewusst verschwiegen, dass er während seines Aufenthalts in der Stadt mit einer anderen Frau zusammenleben würde.
Noch ein Zufall: Ihre Koffer lagen auf dem Gepäckband gleich hintereinander. Das Lächeln auf Mirandas Gesicht, als sie das bemerkte, sagte mehr als tausend Worte. Auch sie glaubte offensichtlich an die Macht des Zufalls.
Unter dem Vorwand, dass sie doch sehr weit auseinander wohnen würden, bestand Dominik am Taxistand auf zwei Fahrzeuge. Lug und Trug sind der Welt Acker, Wagen und Pflug.
Diesmal war sein Fahrer ein Vietnamese, der sich schwertat, Dominiks britischen Akzent zu verstehen, als er ihm als Ziel die Spring Street nannte.
Die Straße teilte sich. Ein Schilderwald, der die bekannten Außenbezirke anzeigte. Über den Belt Parkway den Van Wyck Expressway entlang, der obligatorische Umweg über die Atlantic Avenue, unter den Eisenpfeilern hindurch, die den AirTrain trugen, dann am Jamaica Hospital vorbei und hektisch weiter zum Midtown Tunnel. Wie oft war er hier schon entlanggefahren und hatte im Stau gesteckt, mal in der einen Richtung, mal in der anderen?
Dominik atmete tief durch.
Diesmal würde es anders sein.
Das Ziel seiner Reise war Summer.
Als das Taxi SoHo erreichte, kam eine kräftige Frühlingsdusche vom Himmel. Zwischen dem Taxi und der vordachlosen Eingangstür war er schutzlos dem Regen ausgesetzt. Dominik klingelte.
»Ich bin’s.«
Summer war wie verabredet zu Hause und ließ ihn ein.
Der ursprünglich für Lasten bestimmte Aufzug wartete schon mit geöffneter Tür im Erdgeschoss. Dominik hatte erfahren, in dem Gebäude seien früher einmal lauter kleine Immigrantenbetriebe gewesen, bis die Nähereien weiter nach Norden in den Garment District gezogen waren. Angelockt von dem guten Licht
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