80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
nicht hier.«
»Das habe ich mir schon gedacht. Man kann nicht jede Frau zum Bullenreiten ausführen.« Bei diesen Worten rückte er näher.
Ich steckte mir rasch wieder den Strohhalm in den Mund.
»Gibst du mir einen Schluck ab?«, fragte er.
»Tut mir leid … ist schon leer.«
»Macht nichts. Die Show ist sowieso gleich vorbei. Wir gehen woanders noch was trinken.«
Wir landeten in der Caracas Arepa Bar auf der 7th Street im East Village. Es war noch früh am Abend, trotzdem hatte sich schon eine Schlange gebildet, die bis auf die Straße reichte.
»Glaub mir, es lohnt sich.«
»Keine Sorge. Ich kann sehr geduldig sein, wenn es nötig ist.«
»Das glaube ich gern. Ich denke gerade …«
»Eine gefährliche Angewohnheit.«
»Ich weiß, dass ich mich in letzter Zeit ein bisschen wie ein Sklaventreiber benommen habe, aber ich finde wirklich, du solltest es als Solistin versuchen. Gut genug bist du auf jeden Fall. Ich kann mich bei ein paar Veranstaltern für dich einsetzen. Und wir würden auch sicher einen Saal voll bekommen.«
»Hast du nicht gesagt, ich spiele zu sehr mit dem Kopf?«
»Jetzt vergiss das mal. Man kann sich immer noch verbessern. Weißt du was? Ich finde, dein Übungsraum ist ein richtiges Loch. Du kannst in meinem Keller üben. Er ist schallisoliert. Ich habe ihn herrichten lassen, als ich eingezogen bin, und jetzt ist er recht komfortabel. Und ich könnte dir ein paar Extralektionen geben.«
»Das ist sehr großzügig von dir, aber …«
»Kein Aber. Du bist talentiert. Hab Vertrauen in dich. Das könnte dein Durchbruch werden. Ich sorge dafür, dass du ein paar Agenten kennenlernst.«
»Okay.«
»Okay?«
»Ja. Okay.«
Er umarmte mich, hob mich in die Luft und drückte mir feuchte Küsse auf beide Wangen. Dabei fiel ihm sein Stetson vom Kopf.
»Den setze ich jetzt besser nicht wieder auf«, sagte er lächelnd, als er ihn aufhob.
Wir quetschen uns ans Ende eines Tisches, an dem schon vier andere Gäste saßen. Sie aßen bereits, und ihren Gesichtern nach zu urteilen, musste es einfach göttlich schmecken.
»Guacamole und Tortillas zum Einstieg«, sagte Simón. »Und Margaritas – wir haben was zu feiern.«
»Du darfst gerne auch das Weitere bestellen«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung, was das alles ist, ich vertraue dir.«
»Das könntest du bereuen.«
»Glaube ich kaum.«
Wir aßen, bis ich das Gefühl hatte, ich müsste nach Hause gerollt werden.
»Hast du eigentlich alles bestellt, was auf der Speisekarte steht?«, fragte ich mit Blick auf die letzten Tajadas, frittierte süße Bananenscheiben mit salzigem Käse, und klopfte mir mit schlechtem Gewissen auf den Bauch. Ausgehen ist eindeutig nicht gut für die Taille.
»Nicht ganz«, sagte er lachend.
Er begleitete mich zu meiner Wohnung. Wir hatten beide vier oder fünf Margaritas getrunken und waren einigermaßen angeheitert. Um die Wahrheit zu sagen, ich war eher betrunken. Schön, mal nicht die Einzige mit Alkohol im Blut zu sein.
Ich kramte in meiner Handtasche nach dem Hausschlüssel und lehnte mich dabei Halt suchend an die Mauer.
»Es kann nicht sein, dass ich mich ausgeschlossen habe«, erklärte ich. »Man muss die Haustür nämlich von außen abschließen.«
»Darf ich mal?«, bat er. »Ich glaube, ich bin nüchterner als du.«
Ich hielt ihm die Tasche hin, und er wühlte darin.
»Schleppst du immer so viel Zeug mit dir herum?«, fragte er.
»Man kann nie wissen, ob man nicht Ersatzschuhe braucht.«
Er zog das Seil heraus, das Cherry mir nach der Show geschenkt hatte. Ich hatte es ganz vergessen.
»Hattest du geplant, mich zu entführen?«, sagte er und ließ es vor meinem Gesicht baumeln.
»Ich bin Pfadfinderin«, antwortete ich schlagfertig.
»Ein Mädchen voller Überraschungen.« Er schlang das Seil um meine Taille und zog mich an sich. »Jetzt habe ich dich gefangen«, sagte er.
Und dann küsste er mich.
Sein Kuss war warm und nicht so zärtlich wie Dominiks, wahrscheinlich, weil er betrunken war. Er schmeckte nach Tequila, und beim Einatmen roch ich schwach sein Parfüm. Der Duft erinnerte mich an eine Küche, in der man Lebkuchen gebacken hat.
Es ließ das Seil fallen, grub seine Hände in mein Haar und hielt meinen Kopf in beiden Händen.
Ich hielt die Luft an in der Hoffnung, er würde so an meinem Haar ziehen wie Dominik und mich wieder küssen. Ich spürte, dass mir eine vertraute Wärme durch den Körper strömte. Einen Augenblick war ich versucht, ihn hereinzubitten.
Doch er
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