80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
im Kolonialstil führte.
An der Tür wurde Dominik von einer Frau in mittleren Jahren mit dunklem, zu einem eleganten Bob geschnittenem Haar begrüßt. Sie trug ein langes, fließendes, blaues Abendkleid, sämtliche Finger ihrer beiden Hände waren mit schweren Ringen bestückt. Ein Perlencollier vervollständigte das Bild. Sie war ziemlich attraktiv, trotz – oder vielleicht gerade wegen – der Falten, die ihr Alter verrieten.
»Ich bin Clarissa«, stellte sie sich vor. »Sie sind sicher Victors Freund.«
»Ja. Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ist das Ihr Haus?«
»Ja«, sagte die Frau. »Wir wohnen schon eine Ewigkeit hier. Es ist seit Generationen im Familienbesitz.« Clarissa machte die Tür weit auf und bat Dominik herein.
»Das ist ja riesig«, sagte er.
»Wir wohnen nur zu zweit hier«, sagte Clarissa. »Ist ein bisschen Verschwendung, aber wir würden nie hier ausziehen«, fügte sie hinzu.
In der Eingangshalle duftete es verführerisch nach Essen, anscheinend aus dem Untergeschoss, wo die Küche sein musste.
Clarissa führte Dominik in den ersten Stock hinauf in das weitläufige Wohnzimmer, dessen hohe Fenster auf einen großen, wild wuchernden Garten hinausgingen. Ein Dutzend Gäste war bereits anwesend, zumeist Paare, die leise plaudernd Champagner aus langstieligen Kristallgläsern tranken.
»Ist Victor noch nicht da?«, erkundigte sich Dominik.
»Wir erwarten ihn und seine Begleitung jeden Moment«, informierte ihn Clarissa. »Kommen Sie«, sagte sie, und wies auf einen grau melierten Herrn, der in einer Ecke beim Klavier stand. »Ich möchte Sie Edward vorstellen, meinem Mann.«
Edward trug einen dunkelbraunen Smoking, um die Taille hatte er einen Kummerbund geschlungen. Dazu einen schmalen, sorgfältig gestutzten Schnurrbart, wie ihn Kriegshelden in Filmen aus den Vierzigerjahren häufig hatten, und in seinem rechten Ohrläppchen glitzerte ein Diamant. Ein richtiger Dandy, dachte Dominik. Und ein Mann, der Energie ausstrahlte, auch wenn er einfach nur so dastand.
Sein Händedruck war fest und vertrauenerweckend.
»Victor hat uns viel über Sie erzählt«, sagte er.
»So, hat er das? Umgekehrt kann ich das leider nicht behaupten.«
Es klingelte, und Edward, der sich mit Clarissa bei der Begrüßung der Gäste abwechselte, entschuldigte sich.
Dominik trat zum Tisch und schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein, dann sah er aus dem Fenster in den Garten, in dem verwilderte Rosen wuchsen. Es wehte eine leichte Brise, die ihre abgefallenen roten, rosafarbenen und weißen Blütenblätter wie Schmetterlinge umherflattern ließ. Zwischen den Pflanzen und Büschen lagen in regelmäßigen Abständen Steinplatten, die an Altäre oder kleine Grabsteine erinnerten.
Da Dominik so einiges über Victor und die Kreise, in denen er sich herumtrieb, wusste, ließ er einen Augenblick seiner Fantasie freien Lauf.
In einem abgeschotteten Garten wie diesem, umgeben von einem hohen Holzzaun, der ihn perfekt vor allen neugierigen Blicken abschirmte, war so manches möglich.
Er begann sich schon die wildesten Sachen vorzustellen, als ihm jemand sanft auf die Schulter tippte.
»Hallo, Fremder.«
Dominik drehte sich um.
Es war Lauralynn, und neben ihr stand Miranda, die scheu lächelte. Beide Frauen trugen elegante, schulterfreie Abendkleider. Lauralynns gebräunte, wie gemeißelt wirkende Arme entschlüpften einem schimmernden weißen Stoff, der sie wie ein Kokon oder eine zweite Haut umgab. In ihren High Heels überragte sie die Amerikanerin, die in einem scharlachroten und von der Taille abwärts locker fallenden Kleid gekommen war, um anderthalb Kopf. Beide Frauen trugen augenscheinlich keinen BH . Dominiks Blick blieb unwillkürlich an ihren harten Nippeln hängen, die sich deutlich unter ihren Kleidern abzeichneten.
Er riss sich zusammen.
»Du bist New Haven entkommen?«
»Ja. Und ich habe Miranda überzeugen können, uns heute Abend Gesellschaft zu leisten …«
Sie wollte noch etwas hinzufügen, als Dominik auch Victor bemerkte, der im Smoking kerzengerade neben ihnen stand.
»Guten Abend, Dominik. Schön, dass du gekommen bist.«
»Hallo, Victor«, sagte Dominik. »Wie ich sehe, hast du bereits die Bekanntschaft dieser beiden attraktiven jungen Damen gemacht.«
»Lauralynn ist eine gute alte Freundin«, erwiderte Victor. »Und Miranda ist heute als ihr besonderer Gast dabei und hat sich freundlicherweise sogar bereit erklärt, uns ein wenig zu unterhalten. So ist es doch, meine
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