80 Days - Die Farbe der Begierde: Roman (German Edition)
plötzlichen Eingebung folgend, bei ihrem kurzen Besuch im New Yorker Loft mitgenommen hatte. Nachdem sie es angelegt und so fest geschnürt hatte, wie es nur ging, warf sie einen Blick auf die Uhr. Es war bereits ein Uhr morgens. Von ihrem Fenster im fünfzehnten Stock des Luxushotels konnte sie die Lichter des Hauptbahnhofs auf der anderen Straßenseite und in der Ferne das Schimmern eines riesigen Sees sehen.
All das hatte sie im Dunkeln getan. Erst jetzt schaltete sie das Licht ein und betrachtete sich in dem Spiegel in der Innenseite des Kleiderschrankes. Das schwarze Korsett schnürte ihre ohnehin schmale Taille noch mehr zusammen, seine Stäbe drückten fest gegen ihre bleiche Haut, hoben ihre Brüste und stellten sie zur Schau, die dunklen Nippel aufgerichtet und hart wie Kirschkerne; ansonsten war sie nackt, ihr Busch ein kleiner, mittlerweile wieder ungezähmter Fleck aus flammendem Kräuselhaar. Das bin ich, dachte sie, eingeschnürt in das Korsett, das ihre Geschlechtsmerkmale betonte und die Hure in ihr zum Vorschein brachte. Die Hure?, dachte sie.
Eine Welle unerklärlicher Schuldgefühle stieg in ihr auf.
Gerade jetzt, in diesem Augenblick, hatte sie den Wunsch, bestraft, geschlagen zu werden, bis ihre Arschbacken glühten, und bis zur Bewusstlosigkeit gefickt zu werden. Sie wusste, dass diese Gefühle keinen Sinn ergaben; da war wirklich nichts, dessen sie sich schuldig fühlen musste. Sexuelle Sehnsüchte waren nun einmal so. Entweder man beugte sich ihnen aus freien Stücken und lernte, sie zu genießen und ihre Kraft zu nutzen, oder man unterdrückte sie. Das war alles. Schuld hatte mit all dem nichts zu tun.
Kurz spielte sie mit dem Gedanken, Dominik anzurufen, konnte sich aber nicht dazu entschließen.
Sie nahm ihren Trenchcoat vom Haken an der Tür, den langen, weiten Mackintosh, den sie normalerweise auf der Fahrt zu ihren Konzerten trug, da er so gut ihr Abendkleid verhüllte und ihr unerwünschte Aufmerksamkeit ersparte, und schlüpfte in das erste Paar High Heels, das sie zwischen den überall auf dem Boden verstreuten Kleidern und Schuhen finden konnte.
Sie knöpfte den Mantel zu, dessen rauer Stoff gegen ihre bloßen Nippel scheuerte und den Wald ihres Schamhaars streifte, und eilte zum Aufzug. Vor dem Hotel angekommen, wandte sie sich nach links und erreichte bald die Hauptstraße.
Es war eine ewig lange Straße, streckenweise sehr belebt, gut ausgeleuchtet und gepflegt, ein Stück weiter dunkler, verschwiegener. Sogar ein bisschen schäbig. Statt teurer Restaurants und Läden gab es hier nur Bars, zwielichtige Kaschemmen und Billigläden, die um diese Zeit geschlossen hatten. Nachdem Summer eine halbe Stunde lang in Richtung Norden gelaufen war, blieb sie stehen. Um sie herum war es dunkel.
Sie hielt die Luft an und öffnete den Gürtel und die Knöpfe des beigen Trenchcoats und offenbarte sich der Nacht.
Nur wenige Meter von ihr entfernt sausten die Autos auf der Hauptstraße entlang, während sie sich hier gegen das stählerne Rolltor eines geschlossenen Ladens lehnte. Kein Wagen drosselte auch nur das Tempo, so als wäre sie gar nicht da, als wäre sie keinen einzigen Augenblick Aufmerksamkeit wert.
Sie dachte an gar nichts. Ihre Möse stand in Flammen, oder war es ihr Gesicht, ihr Herz?
Langsam näherte sich die Silhouette eines Passanten. Es war ein Typ. Er schwankte sichtlich und hielt eine braune Papiertüte umklammert, aus der ein Flaschenhals hervorlugte. Als er auf ihrer Höhe war, verlangsamte er den Schritt. Starrte sie an. Blieb stehen.
»Fick mich«, sagte Summer zu dem betrunkenen Fremden. Sie bettelte ihn an, ohne jede Scham, verzweifelt.
Der Mann schaute sie nur mit glasigem Blick an.
»Bitte!«
Was sollte sie denn noch tun? Auf alle viere gehen, ihm den Arsch entgegenstrecken, ihr Loch aufspreizen?
Der Mann bekam einen Schluckauf, seine Augen waren wie hypnotisiert auf das provokante Schauspiel vor sich gerichtet. Mit einem dünnen Lächeln auf den Lippen glotzte er auf ihre Nippel, auf ihre entblößte Möse. Er tappte einen Schritt auf sie zu, noch einen, und ging dann einfach weiter.
Ohne sie zu beachten.
Zehn Minuten später, als sie noch immer wie angenagelt am selben Fleck vor dem metallenen Rolltor stand, wurde Summer klar, dass sie zur Parodie eines dieser alten schmuddeligen Männer geworden war, die ihren Regenmantel aufklappten, um ihre Genitalien zu entblößen, und erschauerte.
Sie schlang den Trenchcoat fest um sich, knöpfte ihn zu und
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