Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)

Titel: 80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vina Jackson
Vom Netzwerk:
geöffnetem Mund, um die hohen Töne zu treffen, hielt Chris das Mikro in der Hand, als würde er eng umschlungen mit seiner Geliebten tanzen.
    »Hallo, London«, rief er der Menge zu. »Wie ist die Stimmung heute Abend?«
    Alle sprangen kreischend in die Luft.
    »Wollt ihr wissen, wer heute Abend unser Ehrengast ist?« Er schaute vom Bühnenrand zu mir herunter.
    Die Menge tobte. Vielleicht hatte Viggo sich freundlicherweise bereit erklärt, früher zu erscheinen.
    »Was soll das?«, rief ich zurück, was natürlich im Gejohle unterging.
    »Mein Mädchen ist hier, aus New York«, rief Chris. »Macht ihr etwas Mut, Leute, dann kommt sie vielleicht auch auf die Bühne.«
    Ein Roadie tauchte rasch hinter dem Vorhang auf und stöpselte eine elektrische Geige ein, was einen schrillen Ton erzeugte. Zum Glück brachte er nicht meine Bailly, deren Klang in diesem Saal keine Chance gehabt hätte, auch nicht mit Mikrofon. Eine E-Geige hatte ich allerdings schon seit drei Jahren nicht mehr gespielt.
    Ich bückte mich unter dem Seil hindurch, das den Moshpit von der Bühne trennte. Zwei Ordner hoben mich in die Luft, und Chris griff nach meiner Hand, um mich hochzuziehen. Ich wandte mich dem Publikum zu. Es kam viel mehr Energie auf der Bühne an, als ich das von meinen klassischen Konzerten kannte. Der ganze Saal schien zu brodeln, Lärm und Begeisterung schwappten über.
    »Spiel einfach mit«, sagte Chris und stimmte »Sugarcane« an, einen Song, den wir schon oft gemeinsam vorgetragen hatten, in einem Folkrhythmus, mit einem kurzen Geigensolo und mit Doppelgriffen gespielten Riffs, was einen fetten, schmutziger Sound ergab, wie ich ihn nicht mehr gespielt hatte, seit ich aus London weggegangen war.
    Ich war auch noch beim nächsten Song dabei und genoss das An- und Abschwellen der Musik, die mich durchströmte wie ein reißender Wildbach. Erst beim Finale, einer Hardrock-Nummer, zu der das Schlagzeug den donnernden Höhepunkt lieferte, räumte ich das Feld.
    Fran erwartete mich hinter der Bühne. Sie hatte sich durch die Menge gekämpft, ihren Backstage-Pass gezückt und die Jungs von der Security bezirzt, um mir gratulieren zu können. Ansonsten konnte sie den Blick nicht von Chris abwenden, der vor der wild tobenden Menge stand, während die Scheinwerfer ein letztes Mal mit grünen und roten Lichtfingern über die Band und den harten Bretterboden strichen.
    »Er ist ziemlich gut«, sagte Fran.
    »Ja, auf der Bühne ist Chris wie ausgewechselt.«
    »So wie du.«
    »Echt?«
    »Nur mit mehr Selbstvertrauen, schätze ich. Und man sieht richtig, wie ihr in die Musik eintaucht, man denkt, ihr seid high oder so was …«
    »Sind wir aber nicht. In der Richtung läuft bei uns gar nichts. Chris ist total gegen Drogen, er sagt immer, er braucht seine grauen Zellen noch und will sich nicht seine Kreativität versauen.«
    »Kluges Kerlchen …«
    Ich schickte sie los, unsere Jacken hinter der Bühne zu holen, und versuchte, in der kurzen Konzertpause etwas zu trinken zu organisieren. In Neuseeland gab es nicht sehr oft große Konzerte, und wenn, dann immer nur in den großen Städten, in Auckland oder Wellington, manchmal auch in Christchurch. Darum hatten wir zu Hause nicht viele Bands live gesehen. Fran saugte alles begeistert auf. Und obwohl ich schon oft in der Academy gewesen war, hatte ich immer noch das Gefühl, auf einem Freiluftkonzert zu sein, wenn ich zu der mit Sternen übersäten Decke hochschaute.
    Ich kam gerade rechtzeitig zurück, um mitzuerleben, dass die Bühnenbeleuchtung bis auf einen einzigen, auf die Mitte gerichteten roten Spot komplett erlosch. Aus einer Versenkung hob sich langsam ein Käfig, in dem Viggo kauerte, die Hände trotzig um die Stangen geklammert, als wollte er daran rütteln. Als der Käfig auf Bühnenhöhe angekommen war, hob er den Kopf und grinste ins Publikum. Die Frauen begannen ohrenbetäubend zu kreischen. Bühnennebel waberte umher, und als er sich auflöste, war der Käfig verschwunden, und Viggo stand breitbeinig da, fast in derselben Kluft, in der ich ihn neulich gesehen hatte: eine tief sitzende schwarze Jeans, Lederstiefel und ein zerfetztes T-Shirt. Wäre er nicht so berühmt gewesen und hätte er nicht diese Casanova-Aura gehabt, er wäre ein ganz normaler Typ gewesen, wie man ihn in jedem Londoner Pub sehen konnte. Wenn auch nicht unbedingt einer, den man seiner Mutter vorgestellt hätte.
    Er war mit seiner Band anderthalb Stunden auf der Bühne, als er zum Höhepunkt des Abends

Weitere Kostenlose Bücher