80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
dürftig.«
»Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich mich an sämtliche Einzelheiten jedes Instruments erinnere, das durch unsere Hände gegangen ist?«
»Nein, natürlich nicht. Ich dachte nur, vielleicht in diesem Fall …«
»Warum?«
Dominik zögerte kurz. Was sollte er darauf antworten? Dass er sich an einen Strohhalm klammerte? Dass er wollte, dass Summer in sein Leben zurückkehrte? Dass er ein Autor war, dem keine Geschichte mehr einfiel?
»Es ist nicht ganz leicht, das zu erklären. Die Frau, für die ich die Geige gekauft habe, ist …«
»War es die Bailly?«, unterbrach ihn der Mann.
»Ja!«, rief Dominik überrascht.
»Ah …«
»Ja?«
»Hören Sie, es ist schon spät. Aber rufen Sie mich doch morgen Vormittag an, nur nicht zu früh, dann können wir vielleicht ein Treffen vereinbaren.«
»Aber gern. Vielen Dank!«
Der Geschäftsinhaber wohnte ebenfalls im Norden Londons, nicht weit von Dominik entfernt, in Highgate Village; ein Privatsträßchen führte zu seinem baufälligen Cottage. Der Garten vor dem Haus war verwildert, der Rasen von Unkraut überwuchert, und die Rosenbüsche waren seit Ewigkeiten nicht mehr geschnitten worden. Da die Türklingel nicht funktionierte, musste Dominik mehrmals kräftig klopfen, ehe sich drinnen etwas rührte.
Kaum hatte der Mann die Tür geöffnet und ihn misstrauisch beäugt, erkannte ihn Dominik. Irgendwie hatte die leise Stimme am Telefon nach einem sehr viel älteren Mann geklungen, aber dieser hier war höchstens Ende fünfzig. Dominik hatte ihn schon einmal gesehen. Zweimal, um genau zu sein. Beide Begegnungen hatten sich in sein Gedächtnis eingegraben.
Er war bei zwei der ausschweifendsten Partys anwesend gewesen, die Dominik in seinen wilden Zeiten in der Londoner Szene erlebt hatte. Eher Voyeur als Teilnehmer, hatte sich der Mann zurückgezogen, sobald er sein Vergnügen mit der Frau gehabt hatte, die sich als Hauptattraktion zur Verfügung gestellt hatte, und den Rest des Abends mit einem Glas Weißwein in der Hand den anderen – inklusive Dominik – dabei zugesehen, wie sie weiter mit der Frau spielten und sie benutzten. Anfangs hatte Dominik das etwas befremdlich gefunden, sich dann aber rasch wieder von den Aktivitäten im Zimmer fesseln lassen.
Die wässrigen Augen des Instrumentenhändlers starrten ihn ohne das geringste Zeichen eines Erkennens an. Ganz offensichtlich erinnerte er sich nicht an Dominik. Schließlich war das, was man bei diesen sehr speziellen Hotelabenden zu sehen bekommen hatte, auch eine beträchtliche Ablenkung gewesen und hatte die Aufmerksamkeit mehr auf gewisse Körperteile als auf Gesichter gelenkt.
»Wir haben telefoniert – ich bin Dominik«, stellte er sich vor.
»John LaValle. Treten Sie ein.«
Er führte ihn ins Wohnzimmer, in dessen Mitte ein Flügel stand, auf dem sich alte, bereits vergilbte Zeitungen, Partituren und zerfledderte Bücher stapelten.
LaValle bot Dominik einen alten Ledersessel an und setzte sich ihm gegenüber auf den Klavierhocker. Ob er etwas trinken wolle, fragte er, doch Dominik lehnte ab. Sich selbst goss LaValle aus der Hausbar einen Scotch ein.
»Hält mich fit«, sagte LaValle mit Blick auf das Glas, in dem er die bernsteinfarbene Flüssigkeit kreisen ließ, bevor er den ersten Schluck trank.
»Sie waren an dem Tag, als ich die Geige gekauft habe, nicht im Laden«, sagte Dominik.
»Nein. Leider. Der Angestellte, der kurz darauf bei uns aufhörte, glaubte, er könne mit dem Verkauf Eindruck bei mir schinden. Dabei hatte ich gar nicht die Absicht, dieses Instrument zu veräußern.«
»Oh. Warum denn nicht?«
»Es war ein Sammlerstück. Und eigentlich sehr viel mehr wert als das, was Sie dafür bezahlt haben«, antwortete LaValle. »Die Geige war erst wenige Wochen zuvor über einen deutschen Nachlassverwalter auf den Markt gekommen, der sich weder des Werts noch der Bedeutung der Geige bewusst war. Ich wollte sie selbst behalten und hierherbringen, wo sie meinem Gefühl nach sicherer gewesen wäre …«
»Sicherer?«
»Dieses Instrument hat die Eigenart, öfter mal verloren zu gehen.«
»Erzählen Sie mir mehr darüber.«
Doch LaValle ignorierte seine Bitte. »Aber ich schätze, sie ist auch nicht mehr in Ihrem Besitz. Sie hatten sie ja für jemand anderen gekauft?«
»Es war ein Geschenk«, bestätigte Dominik.
»Für Summer Zahova? Ein sehr großzügiges Geschenk.«
»Woher wissen Sie das?«
LaValle stand auf, beugte sich über den Flügel und zog unter einem
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