80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
Boden seines hohen Glases abgesetzt hatte, und beobachtete, wie er sich auflöste.
Die beiden Männer blickten sich nachdenklich an.
»Wüsste ich nicht, dass Sie Schriftsteller sind«, sagte der Franzose schließlich, »würden Sie, glaube ich, einen guten Privatdetektiv abgeben, Mister.«
»Sie schmeicheln mir.«
Dominik war sich darüber im Klaren, dass er von Cavalier keine weiteren Details erfahren würde. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass er auf der richtigen Fährte war.
Obwohl der Tipp, diese Spur zu verfolgen, von Summer stammte, würde sie sich wohl kaum freuen zu erfahren, dass ihr Verdacht von anderer Seite bestätigt worden war. Denn das hieß, dass der Mann, mit dem sie schlief, womöglich in den Diebstahl ihrer kostbaren Geige verwickelt war.
Der Geige, die sie verband.
Die Lichter im Zuschauerraum des Cigale erloschen. Jetzt sah man nur noch die Umrisse der riesigen Verstärker, die auf der zugebauten Bühne wie ein schwarzes Gebirge aufragten, und die Silhouetten der zu ihren Instrumenten huschenden Musiker. An den Schaltpulten flackerten kleine rote Lämpchen. Erwartungsvoller Beifall brandete auf.
Nun richtete ein einzelner Scheinwerfer seinen Lichtkegel auf die schlanke, schmale Gestalt von Chris und ein zweiter auf seinen Cousin, die beide an den großen Mikrofonen vorne am Bühnenrand standen.
»Und eins … und zwei … und drei … und vier«, gab Ella ihnen vor.
Ohne Instrumentalbegleitung stimmten die beiden Frontmänner der Groucho Nights eine Ballade an. Es war die freie Interpretation einer alten englischen Volksweise, allerdings in einem mitreißenden Rhythmus vorgetragen. Mit ihrer Schlichtheit und dem Zauber ihrer Melodie zog sie die Zuschauer sofort in den Bann. Und durch ihre feierliche Ruhe machten die beiden Sänger, allein auf einer hellen Insel aus Licht in der Dunkelheit, den Eröffnungssong der Band zu einem berührenden Erlebnis, das die Stimmung für das ganze restliche Konzert vorgab.
Noch während die letzten Töne verklangen, setzte der Bass ein, um den Rhythmus für den nächsten Song anzuschlagen, sodass dem Publikum gar keine Zeit blieb zu applaudieren. Plötzlich war die ganze Bühne in Licht getaucht, das Schlagzeug fiel ein, und die Verstärker der Groucho Nights nahmen ihre Arbeit auf. Chris spielte auf der Gitarre eine ausgefeilte Melodie, die sein Cousin mit dem Bass untermalte. Als die Musik Fahrt aufnahm, begannen die Leute in den vorderen Reihen, die den Song zweifellos schon kannten, den Takt mitzuklatschen.
Dominik auf seinem Platz im Rang sah, dass die Ersten mit den Köpfen wippten und sich im Rhythmus hin und her wiegten. Der Saal war gesteckt voll, im Parterre standen die Zuschauer sogar in den Gängen. Wie in den demokratischen Gefilden des Rock üblich, waren alle Altersgruppen vertreten. Dominik fragte sich, wer wegen der Groucho Nights gekommen war und wer wohl wegen Summer, neugierig, wie die seltene Fusion von Rock und Klassik sich gestaltete.
Nach den ersten vier Songs trat Chris wieder ans Mikrofon. Er dankte dem Publikum für den tosenden Beifall, stöpselte dann seine Gibson aus und schloss stattdessen eine andere Gitarre an, eine schlanke silberne Gretsch. Die Kenner unter den Zuschauern begrüßten das mit erneutem Applaus.
»Und jetzt zu unseren Gästen …«
Die Menge tobte.
Zu Dominiks Überraschung war es jedoch nicht Summer, die auf die Bühne trat.
Stattdessen marschierten drei Bläser aus den Kulissen, zwei Männer und eine Frau, die ihre Instrumente über den Kopf hielten und sich rechts neben dem Schlagzeug hinter den anderen Musikern aufstellten. Nach Ellas Schlag aufs Becken setzten sie ihre glänzenden Instrumente an die Lippen und stimmten gemeinsam mit dem Rest der Gruppe ein funkiges Blues-Riff an. Durch die hinzugekommenen Bläser klang die Band zehnmal kräftiger als zuvor, und ihre lauten, swingenden, ansteckenden Melodien stiegen in dem Pariser Club als Klangwolke bis unters Dach. Mit jedem Ton, den sie spielten, wuchs die Begeisterung. Auch Dominik fand den veränderten Sound faszinierend. Wie würde Summer sich in dieser Wucht aus Klängen und Emotionen mit ihrer zarten Geige behaupten können?, fragte er sich. Chris musste nun geradezu in sein Mikrofon schreien, damit seine Stimme trotz des aufgedrehten Sounds zu hören war, und dennoch waren seine Texte kaum zu verstehen.
Ella am Schlagzeug schwitzte wie ein Tier, ihr Backgroundgesang ging völlig unter, ihre Sticks trommelten einen wilden, hektischen
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