80 Days - Die Farbe der Erfüllung: Band 3 Roman (German Edition)
Beat. Ted hingegen stand bewegungslos auf der rechten Seite, ein unerschütterlicher Fixpunkt, der die Klänge erdete, während sein Daumen mit der Regelmäßigkeit eines Metronoms an den Saiten seines Basses zupfte.
Der Saal bebte.
Als der Song mit einem gewaltigen Tusch endete, hielten die Bläser den letzten Ton, bis ihnen fast die Luft ausging. Dominik sah, dass sich ein zufriedenes Lächeln auf Chris’ Gesicht ausbreitete. Offenbar spürte er, dass das Publikum inzwischen Wachs in seinen Händen war.
Von seinem Blickwinkel im Rang konnte Dominik auf die Seite der Bühne sehen, wo eine Gruppe von Zuschauern in den Kulissen stand und den Takt mitklatschte: Roadies, Freunde und Gäste. Von Summer jedoch keine Spur. Hingegen meinte er, Viggo Franck entdeckt zu haben, wie man ihn kannte: in hautengen Jeans und mit dem routinierten Touch des zerzausten Bohemiens.
Die Band ließ jetzt vor dem nächsten Song einen kurzen Moment verstreichen, um den Musikern auf der Bühne, aber auch dem Publikum Zeit zum Verschnaufen zu geben. Chris und Ella tranken einen Schluck Wasser und trockneten sich den Schweiß ab, während Ted wie immer keine Miene verzog.
Dann nahm Chris wieder seine Gibson zur Hand und stimmte, während die Lichter erloschen, ein zartes Riff an.
Von der gegenüberliegenden Seite kam Summer auf die Bühne.
Ganz in Weiß, in einem weich fließenden bodenlangen Kleid, trat sie in den Lichtkegel eines einzelnen Scheinwerfers. In den Händen hielt sie eine Geige, deren Farbe wunderbar mit dem rötlich goldenen Schimmer ihrer Lockenmähne harmonierte. Ihre schweren Stiefel aus glänzend schwarzem Leder standen in gewollt hartem Kontrast zum zarten Stoff ihrer Robe.
Ein Raunen ging durchs Publikum, als sie ihr Kabel mit einem der wuchtigen Marshall-Verstärker verband, die auf der Bühne standen. Dann hob sie den Bogen, legte ihn sanft auf die Saiten und ließ den ersten kristallklaren, herzzerreißenden Ton erklingen. Harmonisch fügte er sich zu den Klängen von Chris’ Gitarre.
Erst nach einer Weile fielen die anderen Instrumente ein. Zuvor wurde die liebliche Melodie allein von Geige und Gitarre getragen; Chris hielt sich im Halbschatten, während der einzige Scheinwerfer auf Summer gerichtet war, sodass ihre schmale Gestalt die gesamte Bühne dominierte.
Dominik spürte, dass sein Herz einen Schlag aussetzte. Es kam ihm so vor, als würde sie wie damals nur für ihn spielen.
Unter dem weißen Kleid konnte er die geschmeidigen Kurven ihres Körpers erahnen – Formen, die sich unvergesslich in sein Gedächtnis eingebrannt hatten.
Er richtete den Blick auf Summer, verlor sich ganz in ihrem Spiel und verfolgte ihre wunderbaren Bewegungen, als sie auf der Bühne mit dem Bogen ihre neue elektrische Geige liebkoste, streichelte, zähmte. Anfangs übertönte ihr Klang noch den Rest der Band, fügte sich dann aber mit fein abgestimmter Präzision ein, bis er sich kurz darauf wieder löste und Summer in ein ungestümes Solo fiel. Viel zu schnell war die Nummer dann auch schon zu Ende, und während die Rückkoppelungen der Verstärker pfiffen, erstrahlte die Bühne in allen möglichen Farben.
Chris nickte Summer zu, und sie stimmten einen Song an, der Dominik bekannt vorkam. Er meinte, ihn im Brighton Centre gehört zu haben, bei der Probe, ein Lied, dessen Rhythmus mit jedem Takt schneller wurde. Summer deutete jetzt kleine Tanzschritte an, während sie spielte, und ihr weißes Kleid schwang bei jeder ihrer Bewegungen mit. Dominik musste daran denken, wie sie damals in der Neujahrsnacht in New Orleans, als sie noch zusammen waren, auf der Bühne für ihn getanzt hatte. Das war schon so unendlich lange her. Er schloss die Augen und versuchte mit aller Macht, diese Bilder heraufzubeschwören.
Da klopfte ihm jemand auf die Schulter.
»Hallo!« Die Stimme einer Frau. Mit ausländischem Akzent.
Dominik drehte sich um. Wer saß da hinter ihm und wollte auf sich aufmerksam machen?
Er erkannte sie sofort wieder.
Die Tänzerin aus New Orleans.
War das wirklich nur Zufall?
»Ich weiß, wer Sie sind«, rief sie ihm über Klänge des »Roadhouse Blues« zu, den die Groucho Nights nun temperamentvoll auf der Bühne anstimmten.
Er lächelte die rätselhafte Schöne an.
»Und ich kenne Sie.«
Die Band hatte die Verstärker jetzt richtig aufgedreht, und die Frau gab ihm mit einem Zeichen zu verstehen, dass sie ihn nicht hören konnte. Mit einem Achselzucken richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die
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