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900 Großmütter Band 1

900 Großmütter Band 1

Titel: 900 Großmütter Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. A. Hrsg Lafferty
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sie ansehen muß; und das habe ich eben getan: Für einen Augenblick, der außerhalb ihrer unaufhörlichen Bewegung lag, habe ich mich gezwungen, sie als etwas Statisches, etwas Ruhendes zu betrachten. Sie ist grotesk, Dismas. Immer, wenn sie sich nicht bewegt, ist sie grotesk.«
    »Nein, sie ist wie die Ur-Materie. Sein und Bewegung sind für sie dasselbe, und das eine kann nicht ohne das andere existieren. Ich habe sie auch noch nie still gesehen, nicht mal, wenn sie schläft. Sie ist die unruhigste Schläferin, deren Schlaf jemals ein Mensch beobachtet hat. Sie lacht und singt im Schlaf. Ihre Mutter sagt immer, sie ist unser schöner Kobold.«
    »Genau. Sie ist ein Kobold, ein Äffchen, ein Troll. Sie ist sogar ein bißchen untersetzt gebaut wie ein Troll. Dismas, sie hat ein Affengesicht und O-Beine und ein richtiges Kobold-Bäuchlein.«
    »Aber nein, das ist nicht wahr. Da geht sie ja. Aus dem Hause und wieder in die Felsen hinauf, und sie ist so schön, daß ich jedesmal zittere, wenn ich sie ansehe. Vier Jahre alt, und sie kann immer noch auf die Welt schauen und sagen: ›Komisch, daß ich das noch nie gesehen habe!‹. Ja, wir haben eine vielschichtige Tochter, Minden; und außerdem einen Nachbarn, der entweder ein sehr tiefer oder aber nur ein sehr dunkler Denker ist. Sie füttern mich dauernd mit kleinen Brocken aus Ihrem Vortrag – ich nehme an, daß Sie mich neugierig machen wollen. Und der Titel – Kontingente Mutation‹ – also zufallsbedingte Mutation? Was ist zufallsbedingt, wer ist zufallsbedingt?«
    »Wir, Dismas. Wir sind eine kontingente, eine zufällig entstandene, befristete, provisorische und ganz und gar unwahrscheinliche Spezies. Mein Vortrag ist schlecht konzipiert und schlecht aufgebaut, und mir schaudert vor der Aufnahme, die er finden wird. Aber er handelt vom Menschen, und der ist ebenso schlecht konzipiert und ebenso schlecht aufgebaut wie mein Vortrag. Der geht nämlich davon aus, daß sich der heutige Mensch, und zwar zufolge einer erst kürzlich erfolgten und ganz und gar unglaublichen Mutation aus dem unmöglichsten aller Vorfahren entwickelt hat, nämlich aus dem Xauenanthropus, dem Xauen-Menschen. Die Schlußfolgerungen, die sich aus dieser Abstammung ergeben, machen mir Angst.«
    »Minden, haben Sie den Verstand verloren? Wo ist dann da eine Mutation? Die Xauen waren doch schon moderne Menschen. Da ist doch gar keine Abstammung und gar keine Mutation nötig gewesen. Alle Xauen-Funde sind vor fünfzehn Jahren gemacht worden. Ein Blick auf den Xauen, und jedermann konnte sofort sehen, daß die Neandertal- und Grimaldi- und Cro-Magnon-Menschen enge Verwandte innerhalb ein und derselben Spezies waren – unserer eigenen Spezies. Jene waren die Schablone, der Hauptschlüssel. Sie enträtselten jedes Rätsel. An ihnen konnten wir erkennen, warum das Kinn oder das Fehlen des Kinns nur ein Rassenmerkmal war. Nichts unterscheidet den Xauen-Menschen von uns selber, ausgenommen, daß die erwachsenen Exemplare schlechtgebaute Schlakse waren, und vermutlich nicht ganz gesund. Die Xauen sind tatsächlich moderne Menschen. Wenn Sie an fünfzehn Jahre alten, gesicherten Fakten herumstottern, dann ist das doch nichts Revolutionäres. Minden, ich dachte, Ihr Vortrag sei ein großer Schritt nach vorn. Aber er ist ja nur, als ob Sie von einer zwei Zoll hohen Kante hinuntertreten.«
    »Ja, ein Schritt von einer zwei Zoll hohen Kante, der in den Abgrund fuhrt, Dismas, nach rückwärts und von hinten um die Welt herum, so daß Sie dabei auf den Kopf zu stehen kommen und zum Brüllaffen werden. Es ist kein einfacher, kein normaler Schritt. Wenn ich recht habe, Dismas, dann vollzog sich unsere Deszendenz vom Xauen-Menschen durch eine unglaubliche, plötzliche und einmalige Mutation, die hinsichtlich der Wirkung sowohl als auch der Richtung, bisher völlig mißverstanden worden ist.«
    »Ich bin selbst nie so recht befriedigt gewesen, was den Xauen-Menschen anlangt. An der ganzen Geschichte ist irgend etwas Mißgestaltetes. Natürlich kennen wir die Xauen nur durch die Skelette von sechsundneunzig Kindern, drei Halbwüchsigen und zwei Erwachsenen. Wir werden bestimmt noch mehr finden.«
    »Wenn das der Fall ist, dann in der gleichen Proportion. Oh, wir werden überhaupt nicht merken, um was es geht. Aber kommt Ihnen dieses Zahlenverhältnis nicht auch seltsam vor? Wie kommt es, daß so viele Kinder darunter sind? Und wie kommt es – denken Sie lange darüber nach, ja? – daß sechsundachtzig dieser

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