900 Großmütter Band 1
Bä r is t de r Buh m ann . Bä r e n w o hn e n au f d e n Dachböde n de r alte n Häuse r unsere r Kindheit . Das wa r be i m ir so , un d be i Tausende n ander e n auch. Da ß si e dor t existieren , beruh t abe r nich t au f Sug gestion du r c h Erwachsen e , sonder n au f angeborene m Kindheitswissen.
Do c h dies e r Buh m ann hat einen doppelten Cha rakter . E r is t sowoh l fre undlich und faszinie r e nd als auch f urch t erregend. J e do c h ni c ht alle Erwachsenen erzähle n Kinder n dies e B u h m ann-Geschichten . Es is t vielme h r di e einzig e Geschichte , welch e Kinder denjenige n Erwachsene n erzählen , di e si e vergessen hab e n.«
»Abe r wohe r w o lle n Si e da s wissen? « f ragte Margie Co t . »Ich hatte keine Ide e , daß kleine Jungen von B ä ren träu me n. Ich hatt e ge m eint , nu r klei ne Mädch e n tun das. Und ich für me ine Person war davo n überzeugt , d a ß di e Bärenträum e di e fundamentale n Aspekt e sy m bolisieren , di e de r erwachsen e M a n n f ür ei n kle i ne s Mäd c hen hat: Faszination und F urcht . «
»Fü r Sie , Margie , symbolisier t einfac h alle s den erwachsen e n Mann in seinen funda me ntalen Aspek ten . Nu n is t de r Buh m an n abe r auc h philologisch interessant, d e nn der Na m e geh t tatsächlic h au f eine von d e n kn a pp z w eihundert indoeu r o päischen Wortwurzel n zurück . ›Bu h ‹ , auc h ›Boh‹ , is t eine Abschleifung von › B og‹, w a s zwa r i m Slawischen ›Gott ‹ bed e utet ; abe r i n archaische n Zeite n wa r der Bog oder B oger ein Demi u r g aus Tier und Mensch; un d da s Sanskritwor t bagha e n thäl t unte r anderem auch diese Bed e utung s wu rzel . I m Sinn e eine s Zer störer s ode r Zersch m etterer s is t e s in s Alt-Irische al s bong , in s Früh-Litauisch e al s bang a ein g e g an g e n . In de r B e d e u t un g de s Ver s chl i nger s über le bt e s i n de r griechische n Wurze l pha g ; un d al s einer, vo r de m m a n f l i e ht , i s t e s i m Lateinische n i n der S tammsilb e fu g s te h e n g e bl ie b e n . W ir h a b en na t ü rlic h noc h da s wallisi s ch e bwg , Geist ; un d da s eng lisch e boge y wa r zeitweilig , auße r seine r landläufige n Bedeutun g ›gespensti s ch‹ , auc h noc h eine Bezeichnun g fü r de n Teufel . Dan n g i b t e s i m Eng lisch en noc h da s W or t bugbear , a l so Po p a nz, S c hr ec k ge s tal t – un d da m i t schl ie ß t s i c h der Krei s.«
» S o w ollen Sie also Bä r und G ott und Teuf e l zu eine m Begrif f verschmelzen« , sagt e Georg i na.
»In ma n c hen M ytho l ogi e n erscheint der B ä r als Weltenschöpfer« , sagt e Joh n H a rdy, »und dana c h ta t e r nicht s Besonde r e s mehr . Sein e Anbete r m e in ten, er hätte auch g e nug getan . «
Schnoffe l wa r kei n richtige r Bär . E r wa r ein Pseudo-Ur s inide. Er wa r groß, p l u m p, und s c hlurfte au f vie r Beine n herum , manchma l auc h aufgerichtet , au f zweien . E r wa r freundlich , abe r schauerer regend freundlich, d e nn er wa r s o riesig . Un d er schnauft e wi e ei n altert ü m licher Eisenb a hnzug.
E r wa r ei n Spaßvogel , abe r e r schie n sic h a n die Grenze n z u halten , di e i hm sein e Besuche r gezogen hatten . E r ka m ihne n ni e wirklic h n a he , doc h i m merhi n manchma l s o n a he , da ß di e Gemütlichkeit aufhörte . E r gehorch t e , ode r w e n n e r kein e Lust hatt e z u gehor c h en , t a t e r so , al s hab e e r falsc h verstanden . E r wa r da s größt e Tie r au f Bellota , un d es schie n nu r eine n vo n seine r Ar t z u g e ben.
»Wa r um sagen wir ›er‹?« fragte Brian C a rroll, de r Zoologe . »Nu r di e Chi r urgi e könnt e un s darüber Klarhei t verschaffen , abe r e s sieh t mi r ehe r s o aus, al s o b S c hnoffe l übe r haup t geschlechtslo s ist . Kein Wunder, daß es nur einen gibt – das W under ist, daß es üb e rhaupt einen g i bt. W o ma g er wohl herko mme n?«
»Da s könnt e ma n sic h be i jed e m Geschöp f fragen« , sagt e Danie l Phelan . »Di e Frag e is t vielmehr: Wo geht e r hin? A ber d a rin zeigt sich schon eine gewiss e Verfeinerung . Nu r be i de n Primitive n sind Spielzeugtier e (un d e r ist eins!) mä nnlich oder weiblich . Ei n moderne r T e ddybä r ode r Spielzeug- Pand a ha t kei n Geschlecht . Geschlechtslo s waren auc h di e Spielzeugtier e i m Raum der europ ä ischen Tradition, ausgeno m men b e i de n Randvölker n (den Tartare n vo r de m n e unz e hnt e n
Weitere Kostenlose Bücher