900 Großmütter Band 2
die Tür ab; dann spähte er von außen durch das Schlüssello ch , u m z u sehen , was der Schi m panse m achte – und da war das Schlüsselloch von der braunen Pupille de s Tiere s verdeckt, da s sehe n wollte , wa s de r Forsche r machte . Ähnliche s passiert e hier . Kar l Klebe r wußt e nicht s von dem Experi m e nt, und doch geschah das Sehen in beiden Richtungen. Durch eine Schleife in der Abfolg e de r Ereigniss e erga b e s sich , da ß Klebe r grade in diesem Mo me nt Cogsworth studierte. Und ob-schon Cogsworth m it Klebers Augen sehen konnte, sa h e r sic h selbst.
»Ich schaue durch die Augen eines Voyeurs«, sprach Cogsworth bei sich, »und was bin ich selbst?«
Wa r di e Wel t Smimows , di e Cogswort h zuerst betrete n hatte , di e großarti g st e gewesen , s o wa r die vorletzte , i n di e e r ei ndrang, die Welt Ed m ond Guillames , i n jede r Hinsich t di e mieseste . E s war ein e Wel t wi e au s de m Inner n eine s Gallenganges gesehen. Keine angen ehm e Welt , den n Guillames war kein angeneh m er M e nsch. Aber wie kann jemand etwa s andere s al s ei n Skeptike r sein , de r sein ganzes Leben lang nichts andere s gesehe n hat , als eine Welt aus gu mmi artigen Knochen und blutlosem Fleisch, in verkrüppelte For m en und obszöne Farbe n gekleidet?
»Der Maulwurf in der W el t eine s andere n wäre edle r al s de r Löw e i n sei n er«, sprach Cogsworth.
»Waru m sollt e auc h jemand , de r sovie l z u kritisiere n hat , kei n Kritike r sein ? Wi e sol l ei n Mensch nicht zum Ungläubigen w e rden, wenn er vor das Dilemm a gestell t ist , da ß dies e unappetitlich e Welt entweder von Gott geschaffen oder von einem schieläugigen Vogel Strauß ausgebrüte t worde n ist? Ich habe durch die Augen eine s Narre n i n ein e Narrenwel t geblickt.«
Als Cogsworth sich danach wiederum ausruhte, sprac h e r z u sich : »Ic h habe die Welt durch die Augen eines Giganten, ein e s Königs, eines blinden Einsiedlers , eine s Voyeurs , eine s Narre n gesehen. Jetzt bleibt mi r nur noch übrig, sie durch die Augen eine s Engel s z u sehen.«
Nu n mocht e Valeri e M ok ein Engel sein oder auc h nicht . Si e wa r jedenfall s ein e schön e Frau; dagegen waren Eng e l , wenigsten s nac h de r älteren und authentischeren Ikonog r aphie , ernst e Männer mi t etwa s struppige n Flügelspitzen . Valerie s Gesicht trug den Ausdruck eines i mme rwährenden A m üsiertseins , un d si e w a r die Verkörperung allen Char me s, allen Entzück e ns – wenigstens für Charles Cogsworth. Er h iel t si e fü r äußers t geistreich. Hätte ma n ihn jedoch dieserhal b mi t gezielten Frage n bedrängt , s o wär e e r allerding s bei m besten Wille n nich t imstand e gewes e n, sich auch nur einer einzige n geistreiche n Äußerung aus ihrem Munde z u erinnern . E r hiel t sie für ein Wesen von vollko mm e ner Güte und Freund lichkeit , un d tatsächlich wa r si e auc h meh r ode r w eniger angenehm im U m gang. Indessen, wie S m irnow e s einma l formuliert hatte , wurd e si e gewöhnli ch nicht für außergewöhn lic h gehalten.
Ers t sei t verhältnismäßi g kurze r Zei t wußte Cogsworth : wa s e r fü r s ie fühlte , wa r nich t bloße Verwirrung, sondern Liebe. Un d e r verzweifelte daran , si e au f normale m Wege zu verstehen, obschon jeder andere sie ganz leicht verstand, wenigstens i n allem , worau f e s ankam ; dahe r grif f e r jetzt z u eine m außergewöhnliche n Mittel , u m si e z u verstehen.
E r schaut e au f di e Wel t durc h di e Auge n Valerie Moks und sagte sich dab ei : »Ic h werd e di e Welt durch die Augen eines Engels sehen.«
Ih m wurd e ander s bei m S chauen, aber nicht angenehm anders. Er blick t e eine Zeitlang durch ihre Augen – vielleicht nicht so lange , wi e e r durc h die Augen S m irnows geblickt hatte, doch i mme rhin ziemlic h lange ; e r wa r a ußerstande, sich davon hin- wegzureißen . E r s chauderte und zitterte und schrumpft e i n sic h selbs t zurück.
Dann ließ er ab und verba r g sein Haupt in den Armen.
»Ich habe die Welt du r ch die Augen eines Schweines gesehen.«
III
Charles Cogsworth verb racht e sech s Woche n in eine m Sanatorium , da s sic h allerding s nich t grade Sanatorium nannte. Er h a tt e de r Wel t sein e zweite große Erfindung gesch e nkt, und deren Vollendung hatt e ih n vollko mm e n ausgeleert . Wi e da s be i solche n merkurische n Tempera m ente n häufi g de r Fall ist, war dem Hochgefühl der
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