~900 Meine Reise auf dem spanischen Jakobsweg. (German Edition)
einen ganz anderen Duft. Alles ist irgendwie besonders. Wodurch vermag niemand zu sagen. Sind es unsere Gedanken und Wünsche? Oder ist es einfach das spanische Land?
Vor einer längeren Rast verabschiede ich mich einmal mehr von meinen Freunden. Sie gehen weiter. Ich lasse sie ungern ziehen ohne ihnen einen guten Weg gewünscht zu haben. Niemals kann ich wissen ob ich sie wieder sehe. Manche sind mir hier wirklich ans Herz gewachsen. Dennoch mache ich meine Pausen, so wie sie gut für mich sind. Ich gehe nicht mit den beiden. Sie wollen weiter, ich möchte bleiben. So trennen wir uns vorerst, auch wenn es schwer fällt. Manche Entscheidung für mich selbst kommt mir wie eine Entscheidung gegen die Gesellschaft anderer vor. Dass ich sie zwanzig Minuten später schon wieder einhole, kann ich nicht ahnen als ich über einem Kaffee grüble.
Noch bevor wir richtig in der Stadt sind entdecken wir eine Gruppe von Frauen, die Paprika vorbereiten um sie zu räuchern. Ein alter Mann mit mechanischer Stimme empfängt uns herzlich, als wir darum bitten ein Foto machen zu dürfen. Es ist hier eine uralte Tradition, der Ort ist berühmt für Paprika in allen vorstellbaren Variationen. Es fällt mir schwer mich mit dem Herrn zu unterhalten, da ich ihn akustisch nicht verstehe. Es ist einer von diesen Momenten von denen ich nachher nicht mehr sagen kann, warum sie eigentlich passiert sind. Judith-Anne war es wichtig.
Warum mir dieser Moment in Erinnerung geblieben ist weiß ich nicht. Er bedeutet nichts. Es war eine jeder Begegnungen, die den Tag erleuchtet haben, nicht aber die Geschichte. Der alte Mann gehört zu der Stadt. Er ist ihr Herz. Deswegen gehört er auch wohl in diese Geschichte. Jeder Schritt gehört dazu, jeder Ort und jede Seele die man fangen kann in Worten.
Ponferrada ist zwar groß aber nicht sonderlich schön. Ich kaufe ein wenig Schreibkram, da ich in den letzten beiden Tagen scheinbar zwei Stifte zur Party-der-verlorenen-Gegenstände geschickt habe. Außerdem brauche ich frisches Brot. Wenn man mehrere Tage nur altes oder trockenes Brot gegessen hat, schmeckt frisch gebackenes schon ohne Aufschnitt wirklich köstlich. Es muss erst zur Ausnahme werden, damit wir das Alltägliche schätzen lernen.
Weiter gehe ich nach meiner Pause mit allen Kanadierinnen die ich hier kennen und lieben gelernt habe - und das obwohl sie recht langsam unterwegs sind. Jetzt ist mir wieder mehr nach Begleitung als noch heute früh. Wie schnell sich die Stimmung ändern kann. Eine unserer Begleiterinnen, die ich noch nicht so gut kenne, versucht mich mit ihrer Tochter zu verkuppeln, die ich ebenso wenig kenne. Dass Luise mich nicht heiraten möchte hat wohl seine Runde gemacht und nun gibt es andere Interessentinnen. Ich lache lange und ausgiebig … dann frage ich nach einem Foto. Und so lachen alle. Der Tag ist erhellt durch einen kleinen Witz auf meine Kosten.
So kalt die Nächte sind, so heiß sind immer noch die Tage. Ich frage mich wie anstrengend es wohl sein muss, wenn man im Sommer auf dem Weg ist. Entsprechend froh bin ich, dass ich vor kurzem erst mein Wasser aufgefüllt habe.
Die Herberge ist interessant, da sie um eine Kirche drum herum gebaut ist. Man muss es sich wohl ansehen um es zu verstehen. Es sind Zweibettzimmer, die oben zum nächsten Zimmer hin offen sind, getrennt werden sie durch recht dünne Holzwände. Für das Gefühl ist es wunderbar, an der Lautstärke meiner Zimmernachbarn ändert es jedoch nichts. Ich wandere noch ein wenig in der Stadt herum. Selbst wenn ich angekommen bin bleiben meine Beine ruhelos, so wie mein Geist. Ich schlafe neben einer hübschen Dame, die aber bis spät in die Nacht fort bleibt, ich liege schon in Träumen als sie von einer kleinen Feier unter Pilgern kommt.
Mitten in der Nacht schlägt mein innerer Alarm an - und das sehr laut. Irgendetwas ist passiert. Ich weiß noch nicht was. So schnell wie nur selten kämpfe ich mich aus meinem warmen Traumland heraus. Es ist still. Nur das etwas hektische Atmen meiner Zimmergenossin erfüllt den kleinen Raum. Ich liege wach und höre zu. Bald wird mir klar was passiert ist. Ziemlich genau in dem Moment in dem sie plötzlich aufspringt – eigentlich torkelt sie - und Richtung Badezimmer verschwindet. Zu viel Wein. Viel zu viel Wein. Ich beseitige die Spuren des Unglücks, ziehe neue Bettwäsche auf, die sehr improvisiert ist aber reichen sollte. Dann sehe ich im Bad nach dem Rechten. Die Dame liegt auf dem
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