911
Siege gingen auf das Konto von Huschke von Hanstein, Paul von Guillaume und Graf von der Mühle. Die beiden Letzteren lassen sich vor ihrem silbernen 356er in kurzen Hosen mit engem T-Shirt und Seidenschal mit ihren hageren Oberkörpern fotografieren. Ihr Aufzug und ihre Körper erinnern eher an Boheme und Universität als an Herrenhaus oder Schloss. Im Porsche zeigte sich der Adel von seiner modernen Seite. Auf der anderen Seite waren Gentlemen wie Huschke von Hanstein Stilikonen, die der sportlichen Lässigkeit des Porsche-Sportwagens eine Weltläufigkeit gaben, die dem oft sehr schwäbischen Ingenieurgeist nicht sonderlich wichtig war.
Zugleich war der Porsche eine ziemlich analoge Mechanisierung des herrschaftlichen Ausrittes zu Pferd. Die Dünne der zivilisatorischen Schale ließ besonders im Cabrio ein romantisches Naturerlebnis wie auf dem Rücken der Pferde zu. So beschreibt es auch Donald von Frankenberg in den Erinnerungen an seinen Vater Richard. »Dem deutschen Adel gingen die Pferde aus: Der Gotha fährt 356«, titelt er über dem Kapitelchen zur Porsche-Neigung der Adligen, die ihren Sportwagen nahezu allesamt zum Motorsport nutzen. Der bodenständige Stuttgarter Werksfahrer Hans Herrmann erinnert sich, dass ihm Porsche manchmal wie ein Adelsclub vorgekommen sei.
Der Porsche 356 war ein unprätentiöser Sportwagen. Ferry Porsche schrieb, dass Porsche ohne seine Adligen, »V.I.P.s«, wie er sie nannte, nie so erfolgreich geworden wäre. In seinen Memoiren klingt der Stolz über seine royalen Käufer durch. Dass der ägyptische Prinz Abd el-Moneim 1949eines der ersten Leichtmetall-Coupés kauft, freute ihn ebenso sehr wie die Gefolgschaft nobler Herrenfahrer wie Prinz Bertil von Schweden und Fürst Paul von Metternich-Winneburg.
Auch der Ruhradel liebte Porsches. Alfried Krupp von Bohlen und Halbach kaufte ab 1952 jedes Jahr das jeweils neueste Porsche-Modell, das angesichts seiner Körper- wie Kontogröße fast ein wenig zu bescheiden wirkte. Dass Krupp lieber selbst in seinem kleinen Flitzer fuhr, als sich in der standesgemäßeren Strecklimousine von Daimler chauffieren zu lassen, passte gut zu diesem Typus Unternehmer und ebenso in diese Zeit, in der die Deutschen möglichst ohne allzu großen Tand die Schande der Nazi-Barbarei wie der zwei verschuldeten Weltkriege mit ihrer Hände Arbeit wieder vergessen machen wollten. Krupp konnte – so berichtet der Journalist Wolfgang Mache – von seinem Chefbüro im dritten Stock stets auf den Parkplatz Nummer 1 der Krupp-Verwaltung blicken, wo ein Porsche mit dem Nummernschild E-RZ stand. Sein letzter Kauf war, wie Ferry traurig erinnert, ein Elfer mit dem Nummernschild E-RZ 3. Für Ferry Porsche auf Augenhöhe zu diesen besonders noblen Menschen war nur mehr eine berühmte Frau: Madame Claude Pompidou. Sie besaß zuerst einen 356er, dann einen Elfer, bevor ihr Mann Staatspräsident wurde. Auf dem Pariser Automobilsalon verschaffte diese Leidenschaft Ferry Porsche ein ungewöhnliches Geständnis des damaligen Präsidenten. »Wir sind eigentlich alte Freunde, Monsieur. Meine Frau hat zwei Ihrer fabelhaften Autos gefahren!«
Gab es außer der sozialen Privilegierung einen gemeinsamen Nenner? Glaubt man den historischen Dokumenten,war es der Bodymass-Index. Die Sehnig- und Drahtigkeit seiner Kunden fand ihr mechanisches Gegenüber in der Leichtigkeit des Fahrzeugs. »Was gar nicht geht«, so der Schriftsteller und Elfer-Fahrer Ralf Bönt, »ist Schmerbauch im 911er.« Für Bönt besitzt der Elfer einen ästhetischen wie ethischen Imperativ: »Du musst ihn schon so kleiden wie er dich.«
Im unaufgeregt Muskulösen entdeckten sich die ersten Porsche-Kunden wieder. Die Biopolitik des Sportwagens präferiert leichte, drahtige Menschen. Rennfahrer sind in der Regel signifikant kleiner als der Bevölkerungsdurchschnitt. Für übergewichtige Menschen ist ein Sportwagen meist eine Zumutung. Das galt und gilt eingeschränkt auch für den Porsche 356 und den 911er. Obwohl die Platzverhältnisse im Vergleich mit einem Zweisitzer wie dem 550 Spyder geradezu üppig sind, ist die Idee des kompakten und leichten Sportwagens auch eine Festlegung über die Körperlichkeit des Fahrers und Beifahrers, die Kinder auf den Notsitzen seien in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnt. Wer wie Ferdinand Piëch einen Leichtbau-Fetisch pflegte, konnte aus psychischer Konsequenz ein dickes Selbst wohl kaum ertragen. Hinzu kommt die Definition des Porsche als Sportwagen, der besonders in
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