911
Ausdruck, der im Porsche ein Symbol seines Bestehens im »survival of the fittest« sieht. Der im Jahr 2012 veröffentlichte Song »911« und sein Video, das wie eine afroamerikanische Paraphrase einer sonst eher weißen Porsche-Werbung wirkt, beschreibt ein Lebensgefühl grenzenloser Freiheit und gleichzeitig das damit verbundene Angekommen-Sein – angekommen allerdings in etwas, was die eigene innere Unruhe, den inneren Motor, den rastlosen Antrieb kitzelt, agitiert, verschärft, anspitzt. Bei Rick Ross ist »911« eine Zahl des Teufels, der inneren Dämonen im Kampf um Status, Anerkennung, Überlegenheit und rechtsfreien Genuss. Der »911« wird zu einer jener Waffen, mit dem sich Gangster-Rapper schmücken, um die eigene Risikoneigung am Leben zu behalten.
Der lange Weg
zum Elfer
Als Ferdinand Alexander Porsche 1958 in den Familienbetrieb eintrat, füllte er eine Lücke, die bislang als solche von dem Unternehmen noch gar nicht erkannt worden war. Ein Designer schien – sehr protestantisch – eher ein Kostenfaktor denn ein Renditebringer zu sein. So begann Ferdinand Alexander seine Designertätigkeit im Konstrukteursbüro als Exot. Doch weil er seine Kindheit in, auf oder neben Porsches verbracht hatte, die Fabrik wie sein Kinderzimmer kannte und vom Vater jede Menge Wissen vermittelt bekommen hatte, blieb der Jüngling nicht lange Außenseiter, sondern wurde ernst genommen. Sein Bruder Wolfgang, der als Internatsschüler nur am Wochenende den Diskussionsrunden beiwohnen konnte, erzählt, dass es für die Familie Porsche einen Feierabend nicht gab – und schon gar nicht, als es darum ging, den 356er zu ersetzen, ohne die Gusseisernen zu vergraulen. Vielleicht war die Sozialisation in jenemfamiliären Exzellenzcluster die eigentliche Voraussetzung, um im Alter von gerade mal 27 Jahren ein Auto zu entwerfen, das seinen Schöpfer anscheinend mühelos überleben sollte: den Porsche 911.
Es ist ein epochaler und dennoch fließender Übergang vom 356er zum Elfer. Objektiviert man die väterliche Delegation, so könnte man sagen, dass der Elfer der athletischere, besser gewachsene Sohn des 356ers ist, wobei die Ähnlichkeit zum Vater sehr sichtbar bleibt. Das abfallende Heck, die abgerundeten Heckfenster und die runden Scheinwerfer auf den konvex gewölbten Kotflügeln, wie das Susanne Porsche als Ferry-Style bezeichnete.
Ferdinand Alexander war als freier Mensch aufgewachsen. Während der Großvater die Familie an seinem Temperament auch leiden ließ, bevorzugte dessen Sohn Ferry in der Erziehung leise und vornehme Töne. Anders als der Spenglersohn Ferdinand war Ferry nicht stolzer Aufsteiger, sondern Juniorchef eines prosperierenden Familienunternehmens. Diese Position gab ihm eine natürlichere Souveränität, als der stets um Anerkennung kämpfende Vater sie haben konnte. An schulfreien Samstagen fuhr Ferry mit seinen Söhnen ins Werk und inspizierte die Fertigung der Sportwagen. In einer Mischung aus Familien- und Betriebsausflug wurden das Erbe und das Vermächtnis der Familie stets anschaulich und lebendig gehalten. Wie bei allen Familienunternehmen war nachhaltiger Erfolg nur vorstellbar, wenn das Generationenband nicht riss: wenn die Kinder und Enkel früh von der Leidenschaft für das Werk ihrer Eltern und Großeltern infiziert waren. Die Bilder des Familienalbums zeigen die Kinder oft in der Nähe von Autos, Motoren, Vespa-Rollern. Oft genug ersetzte die Garage das Wohnzimmer. Ähnlich war es auch bei Ferry gewesen, als er schon alskleiner Bub seinen Vater zu Autorennen begleitete, wo dessen Geschöpfe an den Start gingen. Ferdinand Alexander hatte wohl eine Ahnung davon, was auf ihn, den Erstgeborenen, zukommen könnte, ging früh seinen eigenen Weg. Auch deshalb, weil ihn sein Vater ließ. Er besuchte in Stuttgart eine freie Waldorfschule und wechselte dann auf die damals stilprägende Ulmer Hochschule für Gestaltung, die das Erbe des Bauhauses im Nachkriegsdeutschland weiterführen wollte. Er blieb nur zwei Semester, dann hatte er dort genug gesehen. Ohne dass der stets zuvorkommende »FA«, wie er genannt wurde, es sagen würde: Es gab bei den Designpuristen wenig Herausforderndes zu entdecken, verglichen mit dem, was er in den Konstruktions- und Entwicklungsbüros seines Großvaters oder Vaters kennengelernt hatte.
Porsche war eine Firma ohne Designer. Den selbstbewussten Ingenieuren erschien es oberflächlich und ein wenig luxuriös, über Design nachzudenken. Der erste Porsche, der 356er,
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