911
den Anfangsjahren auch als Motorsportgerät genutzt wurde. Da die Sportwagen zu dieser Zeit keinerlei entlastende Fahrassistenz-Systeme hatten, war Motorsport kräftezehrend bis in den Schmerzbereich hinein.
Während sich der Wohlstand in Deutschland wie auch im Rest des Westens in den 50er Jahren zügig vermehrt und mit ihm Wohlstandsbauch und Doppelkinn als Statussymbole eines genussvollen Lebens auftauchen, entwirft Porsche ein anderes Bild von sich und seinen Kunden, das auch von denVertretern der Familie Porsche verkörpert wird. Weder Ferry, noch seine Söhne, noch der stets asketisch wirkende Ferdinand Piëch zeigen auch nur Ansätze einer Wohlstandsverdickung. Auch die adligen Motorsportler und Firmenrepräsentanten, welche die Marke nach außen hin vertraten, wie Huschke von Hanstein oder Richard von Frankenberg, verströmten ritterliche Eleganz – bei allen Unterschieden. Huschke von Hanstein war begeisterter Nazi gewesen, ein SS-Mitglied und hatte deren Runen als Rennfahrer auf seinen BMWs unübersehbar dekoriert. Von Frankenberg war der Sohn eines jüdischen Schriftstellers, der von den Nazis 1945 zum Tode verurteilt wurde und in letzter Minute nach England fliehen konnte. Von Frankenberg, Spitzname »Schreckensteiner«, gehörte mit seinem waghalsigen Fahrstil und den vielen, zum Teil schrecklichen Unfällen zum Heroenensemble von Porsche, das der Marke bei aller Popularisierung ihren rasenden Intensitätskern erhielt. Zum Stil dieser rasenden Adligen gehörte eine athletische Selbstpflege. Porsche war ein Exerziergerät der Existenzkünste, im Sinne des französischen Philosophen Michel Foucault. Foucault war selbst Sportwagenfahrer und so ließe sich seine Idee des Lebens als Werk, das Schönheit und Stil zulässt, auch in Sachen Fortbewegung autobiographisch als eine Art individualisierte Befreiungsgeste werten – eine Emanzipation von der Biopolitik tumber Normierung.
Früh stoßen auch Mavericks und Exzentriker zum Kundenstamm von Porsche. James Dean verknüpfte seinen Freiheitsdrang bereits in jungen Jahren mit dem motorisierten Bewegungsdrang. Der Pop-Existentialismus des Schauspielers, seine rastlose Melancholie hatten in den beiden im Todesjahr gekauften Porsches Objektgestalt erhalten. Der MythosDean war der einer forcierten Todessehnsucht, die in einem Unfall auf dem Weg zu einem Autorennen ihr allzu passendes Ende finden sollte. Genaue Untersuchungen ergaben aber, dass James Dean auf der California State Route nicht willkürlich oder gar hasardeurhaft in der Abenddämmerung den Ford des 23-jährigen Donald Turnupseed rammte, sondern weil dieser Dean die Vorfahrt genommen habe. Er habe den Porsche von Dean nicht kommen sehen, erklärte Turnupseed später. Das wiederum zahlte auf den Porsche-Mythos ein, ist der 550 Spyder doch ein kompaktes, flaches und für damalige amerikanische Auto-Blechberge vergleichsweise überschaubares Gefährt. Zudem hatte Dean die Scheinwerfer nicht eingeschaltet. Ungebremst krachte Dean in den Ford, sein Beifahrer Rolf Wütherich, der Porsche-Mechaniker, brach sich Beine und Kiefer. James Dean verstarb noch an der Unfallstelle. Das Foto des zerschmetterten 550ers ging um die Welt und kündete von der Verletzlichkeit des Rasers, wenn er in einem derart fragilen, zur damaligen Zeit hochmotorisierten Gefährt unterwegs war. Deans Geschwindigkeit war beim Unfall alles andere als selbstmörderisch. Er fuhr zwischen 55 und 60 Meilen in der Stunde.
Die Alltagsmythologie machte aus dem Unfall eine Variante des russischen Roulettes. Überliefert wurde der letzte Satz »Der muss mich doch sehen« und damit die Sturköpfigkeit jenes Hollywoodstars, der Regisseure bis zur Weißglut reizen konnte. Auf der hinteren Motorhaube direkt unter dem Porsche-Schriftzug stand in Schreibschrift lackiert »Little Bastard«, Deans Spitzname am Set von »Giants«.
Mit einem existentialistischen Cowboy und showtauglichen Rebellen hat Porsche die individualanarchistischen Hedonisten und Selbstdarsteller für sich eingenommen. Es warenMenschen, die sich nur schwer oder gar nicht anzupassen schienen und doch mit dem Porsche eine Marke für sich entdeckten, die Etabliertheit und das Ungesettlet-Sein gleichermaßen bedienten. Was mit James Dean begann und von Andreas Baader bis in die Katastrophe gelebt wurde, findet kurz vor dem 50. Geburtstag des Porsche 911 in der Hymne eines von Kopf bis Fuß tätowierten, glatzköpfigen, 150 Kilo schweren Gangster-Rappers namens Rick Ross seinen
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