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war ein funktionalistisches Manifest. Der erste repräsentative Verkaufsraum für Porsche an der Park Avenue in New York war von dem hochbetagten Frank Lloyd Wright entworfen, der als eines seiner letzten Werke für den Porsche-Generalimporteur Max Hoffmann das Wohnhaus vor den Toren New Yorks baute. Sieht man Bilder des Porsche vor diesem Spätwerk Wrights, scheinen Farben und Formen von Haus und Sportwagen miteinander verwandt. Es sind Boten einer neuen Zeit, die schon begonnen hatte und deren Siegeszug bevorstand.
Der Luftwiderstand, die Leichtigkeit des Materials und die maximale Sparsamkeit bei der Dimensionierung des Gefährts hatten die Gestalt geformt. Als Ferdinand Alexander Porsche, in der Familie »Butzi« genannt, in Zuffenhausenseinen Dienst antrat, war Erwin Komenda die Autorität der Firma, wenn es um den Karosseriebau ging. Drei Jahre zuvor hatte ihn Ferry Porsche zum Oberingenieur befördert und so erschien es dem nüchternen Mittfünfziger selbstverständlich, dass er die Gestalt des 356er-Nachfolgers zu verantworten habe. Seit Ende der 50er Jahre war klar, dass der direkt dem Käfer entsprungene leichte, kleine Sportwagen technisch nicht weiter auszureizen war. Ein vollkommen neues Auto musste her, mit mehr Platz, mehr Leistung und mehr zeitgenössischer Technologie. Ende der 50er Jahre waren andere auf der Autobahn schneller. Eine inakzeptable Vorstellung nicht nur für Ferry Porsche, sondern auch für den kleinen, verschworenen Kreis der Porsche-Fahrer, die sich damals noch per Hand- oder Lichtzeichen grüßten und begannen, sich in Porsche-Clubs zu organisieren. Zum Selbstverständnis von Porsche gehörte der Anspruch, von niemand irgendwo und in irgendwas überholt zu werden: weder auf der Überholspur der Autobahn noch beim Ampelstart oder gar beim schwungvollen Einparken vor der Oper.
Schon 1951 hatte Erwin Komenda eine viersitzige Version des 356ers entworfen, indem er den Radstand des zierlichen Sportwagens ein wenig brutal um 30 Zentimeter verlängerte und die bis dahin kompakten Türen derart wuchtig dimensionierte, dass künftige Fondpassagiere in das flache Coupé bequem einsteigen konnten. Typ 530 hieß das Experiment und hatte den Charme der minimalistischen Skulptur verspielt. Klobig und fahrig wirkte das Geschöpf. Zudem wurde das Auto für den hochgetunten Vierzylinder zu schwer. Über eine Serienproduktion wurde keinen Augenblick nachgedacht. Die Frage aber, ob ein neuer Porsche ein ziemlich vollwertiger Viersitzer werden sollte oder ein knapper2 + 2, blieb offen. Ferry Porsche war in dieser Frage lange unsicher. Die gesamte zweite Hälfte der 50er Jahre ließ Ferry Porsche Entwürfe zeichnen, die sowohl ausreichend Sitzkomfort im Fond wie auch einen größeren Kofferraum vorsahen. Blickt man heute auf diese Irrwege, wird greifbar, wie unsicher die Zukunft der Firma Porsche damals war. Die quasi natürliche Evolution des 356ers aus dem Käfer drohte ein Endpunkt zu werden, eine automobile Sackgasse ohne »geborenen« Nachfolger. Die Karosseriebetriebe Reutter in Stuttgart und Beutler im schweizerischen Thun erhielten Aufträge zum Bau gestreckter 356er. Nachdem die Entwürfe und Vorschläge aus dem Haus keine überzeugenden Ergebnisse gebracht hatten, lud Ferry Porsche den damals »angesagtesten« Autodesigner der Zeit, Albrecht Graf Goertz, ein, den neuen Porsche zu entwerfen. Das war auch eine Kapitulation vor dem Zeitgeist, der auffälliges Design wollte und einen Bruch mit der Autopoiesis des Porsche-Nichtdesigns. Graf Goertz hatte mit dem BMW 507 einen Roadster geschaffen, der, 1955 auf der IAA vorgestellt, neue Maßstäbe bei der Verbindung von Eleganz und Sportlichkeit geschaffen hatte. Der 150 PS starke Achtzylinder mit den mediterranen, weichen Formen machte den BMW zu einem ernsten Rivalen für die, im Vergleich dazu, geradezu zierlichen 356er. Durch den Erfolg selbstbewusst geworden, zeichnete Graf Goertz für die Zuffenhausener einen repräsentativen, muskulösen Sportwagen, der jedoch eher an einen Ferrari oder Maserati erinnerte. Vorne erhielt der Wagen basedowsche Doppelscheinwerfer und am Heck blinkten sechs kleine Leuchten, hinzu kamen wuchtige, für Porsche-Verhältnisse fast barocke Stoßstangen. Es waren der Glanz und der Glamour der 50er Jahre, den Graf Goertz etwas bühnenhaft darbot und der deswegen von denbodenständigen Porsches abgelehnt werden musste. Der Adlige, der im New York der Nachkriegszeit für Raymond Loewy gearbeitet hatte, habe einen
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