Aaron: Blutengel Band 2 (German Edition)
nicht hier war?
Ich bin hier!, schickte sie erneut eine mentale Botschaft an ihren Vater und erhielt keine Antwort. Wo zur Hölle steckte er? Waren alle Bemühungen umsonst gewesen?
Sie spürte Aarons heftigen Herzschlag in der Brust.
Aaron! Aber auch zu ihm fand sie keine Verbindung. Ihre Sinne spielten verrückt, als würden Störfrequenzen ihre Gehirnwellen manipulieren.
Niemand würde sie hier vermuten, auch Aaron nicht, wenn es ihr nicht endlich gelänge, ihn mental zu erreichen. Warum hatten die Engel sie an diesen gottverlassenen Ort gebracht, wenn Seraphiel nicht hier war? Sie drehte sich im Kreis und suchte in der Dunkelheit vergeblich nach einem Hinweis seiner Nähe.
Wo bist du?, rief sie in Gedanken ihrem Vater zu, ohne eine Antwort zu erhalten. Von unten herauf erklang das Tosen der Brandung gegen die Felsen. Das einzig Reale an diesem Ort neben dem Sternenhimmel, der sich über ihr wölbte.
Plötzlich bebte der Boden unter ihren Füßen, und sie hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Rebecca breitete die Arme aus, um sich auszubalancieren. Hitze durchdrang ihre Schuhe und brannte auf ihren Sohlen. Sie begann von einem Bein aufs andere zu treten.
Die sonst ach so besonnene Rebecca Clancy war blind ins Fiasko gerannt. Sie hatte sich zu sehr auf ihre Sinne und die Verbindung zu Aaron verlassen und musste jetzt feststellen, versagt zu haben. Die felsige Erde begann sich rot zu verfärben. Rebecca starrte auf das unglaubliche Schauspiel, bis sie begriff, dass sich das Gestein in Lava verwandelte.
Sie verfluchte sich. Sie musste hier weg. Schnell!
Immer heftiger bebte der Boden. Rebecca verlor das Gleichgewicht und stürzte rückwärts. Erde und Gestein waren kochend heiß und sie schrie auf. Mühsam rappelte sie sich auf. Doch zu ihrem Erstaunen zeichneten sich keine Brandblase auf ihren Händen ab.
Im nächsten Moment brach vor ihr der Boden auf. Flammen schossen meterhoch aus der Spalte empor und färbten den nächtlichen Himmel rot. Seraphiel war hier, seine Schwingungen durchdrangen ihren Brustkorb wie feine, lange Nadeln. Aber sie konnte ihn nicht sehen, was ihre Nervosität ins Unermessliche steigerte.
Die Hitze des Feuers brannte auf ihrer Haut. Sie wollte zurückweichen, als auch die Erde hinter ihr aufbrach. Flammen bahnten sich ihren Weg nach oben. Im Nu war sie in einem Feuerkreis, aus dem ihr kein Fluchtweg blieb.
«Zu spät, Rachel», dröhnte die Stimme ihres Vaters.
Er hatte offenbar ihre Gedanken gelesen. In der lodernden Glut vor ihr zeichnete sich jetzt ein Gesicht ab, dann formten sich Konturen. In ihren kindlichen Fieberträumen war sie ihm begegnet: Seraphiel.
Ruth hatte diese Erinnerung in ihr gelöscht. Doch die Furcht aus Kindertagen war wieder präsent. Er war es gewesen, der ihre Arme gebrandmarkt hatte, als Ariel sie ins Feuer hielt. Gebrandmarkt mit seinem Zeichen, damit er sie wiederfand.
Fast glaubte sie den überwältigenden Schmerz aufs Neue zu spüren. Die Bilder aus der Vergangenheit spulten sich vor ihren Augen ab. Wieder hörte sie die Todesschreie der im Feuer eingeschlossenen Menschen. Sie hatten sich in ihrem Gedächtnis festgesetzt.
Seraphiel sah auf sie herab. Der Blick aus seinen Obsidian-Augen schien sie zu durchbohren. Obwohl sie sich wehrte, spürte sie dennoch auf Anhieb die tiefe Verbindung zwischen ihnen. Ihr Blut floss heiß und zäh wie Lava durch ihren Körper und lud sie mit Energie auf, bis sie glühte.
Ihr Vater war die Verkörperung von Mordlust, Gier und Rache. Rebecca erfasste Abscheu. Sie wollte unter keinen Umständen diesen grausamen und kalten Feuerengel von seinem Bann erlösen. Niemals. Eher würde sie sterben.
Sie sah an sich herab und erkannte, dass sie wie ein Leuchtstab die Nacht erhellte. Es war das Seraphimfeuer, das in ihr glomm. Es schützte sie. Aus ihren Fingern züngelten bereits die ersten Flammen und verbanden sich mit den bereits vorhandenen. Kaum schlossen sich die Feuer zusammen, leuchtete ihr Vater wie eine Fackel. Aus seiner Haut loderten Flammen, selbst in seinen schwarzen Augen züngelte es. Es wirkte irreal, bedrohlich und doch starrte sie fasziniert auf das Schauspiel.
«Endlich bist du da, Rachel.»
Er bewegte die Lippen nicht, aber seine Stimme schwang in ihrem Innern und ließ sie wie eine Glocke vibrieren. Sie musste den Kopf in den Nacken legen, um zu ihm aufzusehen. Die seltsamen Schwingen breiteten sich hinter seinem Körper wie ein schwarzer Fächer aus. Rebeccas Herz hämmerte in der
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