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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Brücke und guckte sich die Gäste an. Ich stellte sie einem der Herren, der etwas irritiert zu ihr hinaufsah, als Hostess und Dolmetscherin vor - "Frau Omelli Zamora ist gern behilflich, falls es etwas zu übersetzen gibt." Logisch, was tun den Dolmetscherinnen? Ich kam mir dämlich vor. Der Kerl knurrte nur. Die Höflichkeit hatte der nicht gepachtet.
     
    Im Gänsemarsch verschwanden alle acht in der Kajüte. Ehe ich hinterher konnte, wurde die Tür zugemacht. Auch gut. Ich stieg zur Brücke hoch und ließ den Motor an. Von unten schrie einer „noch nicht.“ Also wartete ich, bis er „jetzt“ hochbrüllte. Dann legte ich ab und fuhr gemächlich den Sacramento hoch.
     
    Wir waren kurz vor der Hauptstadt, als die Kajütentür wieder aufging und die vier Adjutanten herausspazierten. Sie hatten Wein und Gläser dabei, machten es sich um den Tisch bequem und kümmerten sich weder um mich noch um die Gegend, durch die wir fuhren. Trotz der Hitze hatten sie ihre Jacken an. Ich nehme an, dass sie ihre Flak nicht öffentlich herumzeigen wollten. Dass sie warm angezogen waren, hatte ich schon gesehen, als sie aus ihren Autos stiegen. Die Beulen unter der Achsel waren nicht zu übersehen.
     
    Marisol und ich machten es uns gemütlich. Sie hatte einen Deckstuhl und ein Buch dabei, ich schob meine neu gekaufte Burning Spear CD in die Stereoanlage, stellte auf extrem leise und tuckerte im Reggaebeat den Fluss entlang. Gonzales hatte mir morgens einen Reiseplan diktiert, der vorsah, dass wir heute Abend um sieben am Steg von Pirate´s Island anlegen sollen. Bis dahin war mir verboten, irgendwo festzumachen. Also fuhren wir.
     
    Die dicken Herren mit den vielen Ringen an den Fingern und den teuren Anzügen über den Wampen kamen mir gleich nicht koscher vor. Nach meinen wenig schönen Erfahrungen erkenne ich Geier auf Anhieb, und diese waren Obergeier. Da war ich mir ganz sicher. Aber Gonzales hatte mir noch mal am Telefon versichert, meine Passagiere seien „reiche Männer, einflussreiche Herren“, und ich wollte mit ihm keinen Ärger. Außerdem kamen die zwölf Mille wie gerufen. Also hielt ich die Schnauze und fügte mich. Würde schon kein Problem sein, vier Tage still und unauffällig durch die Gegend zu schippern. Die Verständigung war Marisols Aufgabenbereich, obwohl bisher noch niemand ein Gespräch versucht hatte. Falls Diplomatie angesagt war, könnte ich immer Gonzales anrufen. Der würde schon dafür sorgen, dass sein Geschäft nicht leidet. Gonzales war sozusagen mein Rettungsring.
     
    Bei Sacramento wendete ich, Marisol ging hinunter, fragte, ob Kaffee gewünscht wurde, und während sie in der Kombüse hantierte, standen die Herren auf Deck herum. Ich grüßte freundlich nickend, was nicht zur Kenntnis genommen wurde. Meinetwegen.
     
    Haargenau um halb sieben legten wir an. Fünf Minuten später ging die Tür auf, zwei der vier Dienstbaren trabten vorneweg, zwei hinterher, und die Korona verschwand im Park, in dessen Mitte das Pirate´s Island Hotel stand. Marisol und ich lüfteten, räumten auf, wuschen ab und machten für morgen Vormittag sauber, was bis halb neun dauerte. Dann, endlich, konnten wir auch zum Essen gehen. Abschließen sei unnötig, knurrte der Athlet, der nach seinem Abendessen auf dem Schiff auftauchte. Er würde auf Deck übernachten.
     
    Ich sage ja. Geier, garantiert. Scheiß drauf. Hauptsache, die Kohle stimmt.
     
    Wir saßen im geräumigen Speisesaal und beäugten die Speisekarte, die der Pinguin angeschleppt hatte. Das Angebot war einwandfrei, aber die Preise störten mich. Siebzehn Dollar für einen lausigen Hamburger? Vier Dollar für eine Cola? Mir schwoll schon der Kamm, als mir auffiel, dass ich den Kellner von irgendwoher kannte. Normalerweise kenne ich Typen im Frack nicht, aber diesen hatte ich irgendwann schon mal gesehen. Und die Erinnerung war nicht unbedingt von der frohen Sorte. Ich schaute noch mal hin, als er sich zu Marisol beugte, um auf der Karte irgendetwas zu zeigen, und fiel fast vom Stuhl. Macmillan!
     
    Entweder hatte er von seinem Job die Schnauze voll gehabt und den Arbeitgeber gewechselt, oder ich steckte bis zum Hals in der Scheiße. Kaum anzunehmen, dass ein FBI-Special-Agent freiwillig zum Kellner wird, also hatte Macmillans Verkleidung eine tiefere Bedeutung, eine, bei der ich garantiert den Kürzeren zog. Er merkte, dass mir das Kinn auf die Brust fiel, beugte sich zu mir herunter, zeigte auf die Karte und raunzte „gehen Sie nach dem Essen

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