Aasgeier
kriege er eins drauf. Worauf Dreadlocks-Kofi den Kopf friedlich auf die Theke legte und die Lichter ausschaltete.
„So, jetzt, erzähle genau, was sich zugetragen hat.“
Ich staunte, dass die Cops das nicht schon längst wussten. Waren doch sonst so schlau.
„Klar, wissen wir, was los war, aber ich will von dir hören, wie du es auf dem Boot erlebt hast.“
Schiff, nicht Boot. Aber so einer würde kaum je den Unterschied kapieren. Ich bestellte mir noch einen Tequila zum Bier, und dann legte ich los. Er unterbrach mich kaum, machte nur gelegentlich Notizen auf einem hellgelben liniierten Block – na, wenn das ihn nicht als Bullen outete – und saß ansonsten da und hörte zu. Die Arme hatte er dann vor der Brust verschränkt, was ein schlechtes Zeichen ist, wenn ich mich recht an meine Verkaufsseminare erinnerte. Die hatte ich damals belegen müssen, weil mein Radioboss der Meinung war, wir Musikfritzen wären in erster Linie Verkäufer. Womit er recht hatte, was ich erst viel später erkannte. Vielleicht habe ich deshalb so viel gesoffen. Wer weiß.
Jedenfalls kam ich nach einer halben Stunde und drei weiteren Flaschen Cerveza Moctezuma zum Ende der Story. Er wollte noch ein paar Einzelheiten wissen, aber sonst schien alles ziemlich klar zu sein. Ihm, nicht mir. Ich hatte noch immer nicht die geringste Ahnung, was da überhaupt gelaufen ist. Worin ich vielleicht schon wieder bis zum Hals steckte und nichts davon wusste.
„Mache dir keine Sorgen,“ war seine entsprechende Plattitüde. „Ist ohnehin zu spät dazu. Deinen Passagieren bist du doch scheißegal. Du warst nur der Chauffeur, nichts weiter. Ich glaube kaum, dass die wussten, welches Theater du damals veranstaltet hast. Sonst hätten sie dich auf keinen Fall genommen. Wie bist du eigentlich an die rangekommen?“
Das überraschte mich doch sehr. Ich dachte, die Greifer hätten durch Gonzales erfahren, dass sich die Typen auf meinem Schiff unterhalten wollten. Offenbar nicht.
„Gonzales. So, so.“ Er schrieb Gonzales über seine Notizen, setzte King City dahinter und unterstrich den Namen mehrmals. „Und was hast du mit Gonzales noch zu tun?“ tat er gelangweilt. Ich spitzte die Lauscher; so weit kannte ich mich mit geierhaften Bullen aus, dass ich wusste, wann sie link wurden.
„Nix. Ich kenne den nur von damals, von meiner Zeit in Pismo.“ Gelogen, aber er nickte und kümmerte sich nicht weiter. Ich hatte jetzt richtig Durst, also bestellte ich noch mal zwei Bier für mich und noch eine Cola für meinen „Freund“. Al schleppte schnaufend und brummelnd, froh, wenigstens einen zahlungsbereiten Kunden zu haben, der noch einigermaßen aufrecht trinken konnte. Dem es schmeckte.
Und ich muss sagen, mir schmeckte es ausgezeichnet, obwohl sich das mit dem Aufrecht schon als Fehleinschätzung abzeichnete.
„Wie lange willst du denn noch hier in Locke bleiben?", fragte er.
„Weiß ich noch nicht. Kommt drauf an.“
„Und was hast du mit deiner neuen Freundin vor? Nimmst du sie mit, oder bleibt sie hier?“
„Weiß ich auch noch nicht so genau".
„Solltest dir aber Gedanken machen. Dass deine Frau in Ventura lebt, das weißt du ja, oder?“
„Weiß ich. Aber ich glaube nicht, dass sie besonders daran interessiert ist, mit wem ich wo wohne.“ Wie auch? Immerhin ist sie mir abgehauen.
„Hm. Well, well, well,“ meinte er sinnierend. „Würde ich nicht so ohne Weiteres annehmen. Nicht unbedingt. Nein, überhaupt nicht.“ So ein kariertes Geschwätz! Warum reden Bullen so nebulös in der Gegend herum? Hat mich schon immer aufgeregt.
„Ihr Ficker,“ grinste Macmillan, „ist nämlich sehr interessiert zu erfahren, wo du steckst. So interessiert, dass er sogar ein ordentliches Kopfgeld für dein Auffinden bietet. Wetten, dass sich bald einer auf deine Freundin stürzt, wenn du nicht mehr hier sein solltest? Was dann mit ihr passiert, brauche ich ja nicht auszumalen.“
Blödsinn. Bullen sind als Berufsgruppe paranoid.
„Das mit der Belohnung ist ja wohl eine Übertreibung, oder? Julie würde kaum so weit gehen.“ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie so abgebrüht war. Auf einmal. Ich meine, immerhin waren wir ein paar Jahre verheiratet, hatten nie richtigen Zoff miteinander, und wenn sie sich einen Neuen sucht, na gut. Aber braucht sie doch den Verlassenen nicht gleich kaltmachen lassen. Das ist ja nun ein bisschen viel, meine ich. Trotz meinem alkoholbedingten Hang zur Leichtgläubigkeit blieb doch ein
Weitere Kostenlose Bücher