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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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mich mit angsterfüllten Augen an. Die anderen hatten noch immer die Arme über den Köpfen und warteten ergeben auf ihr Schicksal. Einer der beiden an Bord verbliebenen Schutzmänner stand in der Ecke, der andere trat hinter mir in den Salon. Sie schauten mich arg unfreundlich an. Beide hatten ihre Knarrenläufe auf mich gerichtet.
    „Gentlemen, es scheint alles wieder erledigt zu sein. Wenn die Herren bitte ihre Colts nicht auf mich richten würden, wäre ich sehr dankbar.“ Erstaunlicherweise steckten beide ihre Zimmerflak in die Halfter zurück. Man muss wohl nur forsch genug auftreten.
    „Ich habe keine Ahnung, was da gerade gelaufen ist, aber ich glaube, dass wir sehr bald entscheiden sollen, ob die Polizei gerufen wird, und wenn ja, welche. Ich bin verpflichtet, diesen Überfall baldmöglichst zu melden.“
    „Nichts da!", rief der eine Dicke von seinem Platz unter der Sitzbank. Er kroch mühsam darunter hervor, sein Adlatus klopfte ihm den Staub von der Jacke, während der Dicke sehr bestimmt sagte, dass mich der Vorfall einen Scheißdreck angehe.
    „Wir steigen aus. Sie fahren uns zur nächsten Stadt – kein Dorf, sondern eine Stadt, Sacramento oder Stockton – und wir verlassen dort das Schiff.“ Von wegen Ausländer. Der sprach besseres Englisch als ich.
    „Sie gehen erst mal hoch und fahren uns so weit es geht vom Land weg – auf einen See oder einen breiten Teil des Flusses. Dann sagen wir Ihnen, wo wir hinwollen.“ Er schaute die anderen Herren an. Die nickten alle.
    „Wie bekomme ich mein Geld?“ Interessierte mich schon, obwohl ich Muffe hatte, dass die Frage in der geladenen Atmosphäre etwas unwillkommen wäre. Aber ich brauchte die Kohle dringend, besonders jetzt. „Und der Schaden – wer ersetzt mir den Schaden?“ Drohende Armut stärkt den Rücken.
    Der redselige Dicke brummte, ich würde mein Geld schon bekommen. Dann schlug er vor, ich solle mich jetzt auf die Brücke verpissen und losfahren, verdammt noch mal. Als einer seiner Kollegen unter die ausgebeulte Jacke griff, war die Zeit des Zögerns vorbei. Ich warf die Salontür hinter mir zu und wetzte die Treppe zum Ruderhaus hoch.
    Sie schaute mich nur an, mit flackerndem Blick und vielen unausgesprochenen, unbeantwortbaren Fragen. Ich winkte ab, nahm das Ruder und gab erst mal kräftig Gas.
     
    Die beiden hochgeklappten Frontscheiben waren wie durch ein Wunder unversehrt, aber sämtliche Seitenscheiben waren weggeblasen. Die Holzverkleidung hinter mir war voller Einschusslöchern und Splittern, ein paar Instrumentenverglasungen waren hinüber, obwohl ich mir nicht erklären konnte, wodurch. Eine der Radspeichen war von einer Kugel getroffen und zerborsten. Ich hatte ein Scheißglück – wäre ich dahinter stehen geblieben, hätten sie mir den Bauchnabel aufgebohrt.
    Weit voraus leuchtete das Kielwasser meines Beibootes weiß und gischtig. Den Jeep sah ich nicht mehr; möglich, dass er die Insel schon verlassen hatte. Die beiden Herren im Beiboot verschwanden aus meinem Blickfeld, als sie die Rechtskurve schnitten und unter der Highwaybrücke durch auf den breiten Sacramento donnerten. Falls sie die Verfolgung nicht aufgaben, mussten sie den Altarm des Flusses um Decker Island herum befahren, denn daneben verlief der Highway 160, und nur auf dem konnte das Auto sein. Falls die Schießer nicht einfach den Vierradantrieb zuschalteten und übers Feld davonfuhren. Ich konnte nichts sehen, und die Verfolger sahen von ihrer niedrigen Warte noch weniger.
     
    Vom Norden her klapperte ein Hubschrauber über uns hinweg. Offenbar hatte der mit meinen Passagieren etwas zu tun, denn einer der dicken Herren hatte ein Telefon am Ohr und brüllte rapides Spanisch, was der Hubschrauber mit heftigen Schüttelbewegungen während seines Hochgeschwindigkeitsfluges quittierte. "Mas rapido," verstand ich, und der Pilot legte tatsächlich noch ein paar Briketts drauf.
     
    Warum muss ich immer an Geier geraten? Warum kann ich nicht wie andere Leute still und unauffällig in den Tag hinein leben? Was ist nur schiefgelaufen, und wann? Ordentliche Menschen mit ordentlichen Familien und ordentlichen Berufen brüllen nicht in Telefone, an deren anderem Ende ein Hubschrauberpilot in voller Jagd sitzt.
     
    Wir unterquerten die Highwaybrücke und peilten Rio Vista auf der gegenüberliegenden Flussseite an. Am Westufer ragten Pfahlreste aus dem klaren Fluss; Überreste alter Anlegestellen, die fast bis zur Wasserlinie weggefault waren. Aus jedem Pfahl

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