Aasgeier
entschied sich für die nördliche Fahrbahn. „Wenn die hinter uns her waren, werden sie annehmen, dass wir nach Süden fahren.“
„Kann sein. Auf alle Fälle können wir von King City nach Bakersfield und einen großen Bogen schlagen. Dann kommen wir von Osten her wieder zum Hotel.“
Was er gut fand.
Wir sahen das dunkle Auto nicht mehr. Mitternachtsblauer Ford, klärte Bobby auf. Und Zorbian beschrieb den, der auf dem Beifahrersitz herumfuchtelte. Eindeutig nicht Macmillan oder sein Freund. Dieser war Mexikaner, ohne Zweifel. Dunkelhäutig, dicklich, billigen hellbraunen Anzug und einen buschigen Oberlippenbart.
War still im Auto. Selbst der sonst so gesprächige Zorbian war verstummt. Eine ordentliche Hitze hatte sich schon über die Prärie gelegt, obwohl es erst kurz nach zehn war. Wir hatten vor King City den Freeway verlassen und fuhren nun mit mäßiger Geschwindigkeit der Sonne entgegen. Sonnenbebrillt saßen wir da, sprachen nichts und fürchteten wohl insgeheim, dass uns doch einer folgen würde. Kurz vor Priest Valley schlugen wir wieder einen Haken, fuhren nach Südwesten und waren gegen zwei beim Weingut in San Miguel.
Der Vierte ist ein prima Tag, um unauffällig etwas zu unternehmen. Da ist die patriotische Ausgelassenheit derart überschwänglich, dass nichts und niemand auffällt. Hauptsache Fahne. Die muss sein. Entweder am Hut oder als Hemd, von der Autoradioantenne flatternd oder als Schonbezug, Fahnenabziehbilder am Fenster und tätowierte Fahnen auf entblößten Körperteilen gelten alle als Beweis, dass der Träger oder Vorzeiger nichts übers eigene Land kommen lässt. Und dann darf man, wonach einem gerade ist.
Vormittags ist die Parade auf der Main Street, mittags wird gegrillt und Bier getrunken, nachmittags geruht und abends noch mal reingehauen. Da ist man dann schon am Strand, im Stadtpark oder Stadion, je nachdem, wo Feuerwerk und Konzert stattfinden. Man muss früh erscheinen, weil der Austragungsort immer schnell belegt ist. Also ist ganz Amerika ab drei Uhr nachmittags ein einziger Verkehrsstau.
Ich hatte mir überlegt, wie es mit mir weitergehen sollte, und ich hatte auf der Fahrt einen Plan entwickelt. Also bat ich Bobby, mich nach dem Mittagessen über den Berg nach Cornwall zu fahren, damit ich mein Auto aus seiner Garage holen konnte. Mache er gern, sagte er, und ahnte wohl, dass ich mich absetzen wollte. Denn das würde ihm und seinem Freund auch etwas Ruhe verschaffen. Viel Ruhe, falls die Unannehmlichkeiten der letzten Tage mir galten. Wir aßen wieder ein sagenhaftes Mittagsmahl beim Winzer und fuhren nach Westen.
Auf die Idee waren viele Inlandsbewohner gekommen. Die zweispurige Straße, die sich mühsam übers tausend Meter hohe Küstengebirge wand, war befahren wie der Hollywood-Freeway nach Geschäftsschluss. Ein Auto am anderen, und alles musste so schleichen wie der Idiot, der ganz vorne fuhr. So was bringt die Halbbesoffenen richtig in Fahrt, so was lässt die Stimmung aufbrodeln, und entsprechend ruckartig ging´s hinten in der Schlange zu – mal wollte einer vor der Kurve überholen und überlegte sich´s dann doch, mal wollte einer nur feststellen, ob sein Auto in das des Vordermannes passen würde. Für die dreißig Meilen brauchten wir fast zwei Stunden.
Bobby, vorsichtig, wie er war, fuhr erst mal einen großen Bogen um sein Wohngebiet, um sich dann zufrieden auf sein Domizil einzuschießen. Wir passierten zweimal das Haus, sahen nichts Verdächtiges, und hielten endlich davor. Er schloss die Garage auf, ich fuhr den Jeep ins Freie, er schlug die flache Hand klatschend auf die Stirn und holte aus seinem Auto einen Umschlag. „Deine neuen Papiere. Versuche, sie mal eine Weile zu behalten. Alex Madonna heißt du jetzt; die Papiere wurden einem reichen Opa aus der Gegend abgenommen, und der ist hier gut bekannt. Ich hatte nichts anderes. Also benutze sie nur, wenn es unbedingt sein muss.“
Ich bedankte mich und versprach Bezahlung, sobald wir uns wieder treffen würden.
„Ist okay. Ich vertraue dir, weißt du doch. Jetzt machs gut.“ Er tat nicht einmal, als sei er über meine Abreise traurig.
Wir verabschiedeten uns, versprachen, über Ignacio Kontakt zu halten, und dann tuckerte ich los. Allein, bis ich zum Highway kam, dann lustig Gas gebend auf freier Bahn an der Verlängerung unserer Paso-Schlange vorbei, die mir noch immer entgegenkroch. Ich wollte mich ein wenig in der Gegend aufhalten, die ich trotz langer
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