Aasgeier

Vegas", erzählte die Mutter und Ricky nickte heftig dazu. „Im Zoo!", ließ er mich wissen, und „Elefanten. Affen.“
    „Giraffen", erklärte Oma, „aber das kann er noch nicht so richtig aussprechen.“
    „Schwimmen!“
    „Du allein?“
    „Mit Grandma“
    „Mein lieber Mann! Und wo wart ihr noch?“
    Er überlegte, schaute dann die Oma an und zuckte die Schultern. „Santa Barbara?“ soufflierte sie.
    „Barbara. Auch Zoo.“ Was sich auf englisch reimt. Zoo too. Hübsch.
    „Toll. Wollen wir morgen zusammen irgendwohin? Vielleicht aufs Land, wo du herumrennen und draußen spielen kannst?“ Gewagt, weil ich nicht wusste, wo ich mich die nächsten Wochen aufhalten konnte, aber dass es irgendwo mit viel Platz drum herum sein würde, war Voraussetzung. Er nickte wieder auf Teufel komm raus. Meine Mutter schaute mich von der Seite fragend an. Ich zeigte durch Schulterzucken, dass ich noch nicht wusste, wo.
    „Brauchst du eine Wohnung?“
    „Irgendwo in der Gegend, nicht allzu weit weg, vielleicht in einem der Täler oder irgendwo auf dem Berg hätte ich gern etwas kleines gemietet. Nur für ein paar Wochen, damit ich mein Zeug irgendwo unterbringen kann und nicht immer alles mit mir herumschleppen muss. Und zur Ruhe kommen. Ich bin wieder durch die Gegend gerannt, ohne irgendwo auszuruhen. Was mir so langsam zu schaffen macht.“
    „Ich frage mal herum. Eine meiner Freundinnen weiß sicher etwas.“ Dass es die Freundin nicht weitersagen soll, verstand sich von selbst. Sie winkte ab, als ich ihr damit kommen wollte. „Wir sind ja nicht von gestern.“
    „Danke, Mutter. Mir ist wichtig, dass es ruhig ist. Damit ich unbelästigt und ohne Druck meine Sache erledigen kann.“
    „Klar. Ich kümmere mich mal drum.“ Sie kannte ja den gesamten Witwenstamm im Dorf. Da würde sich schon was auftun.
    Wir verbrachten einen ausgesprochen ruhigen Abend, trotz der Ballerei links und rechts. Sämtliche Nachbarn hatten ganze Flaschenbatterien auf ihrem Rasen stehen, jede Flasche mit einer Feuerwerksrakete bestückt, und als das Gedonnere vom massiven Feuerwerk am Strand endlich erlosch, fingen die Amateure damit an. Ricky und ich schauten zwischen den Vorhängen auf die Straße, und jedes Mal, wenn eine Rakete in unserer Nähe loszischte, pfiff ich mit. Sehr zum Vergnügen meines Sohnes. Der lieferte dann viel zu früh oder viel zu spät das abschließende BUMM, war mit viel Herumlaufen und Armen in der Luft eine kindgewordene Explosion.
     
    Mutter lebte noch immer im alten Zeug, das sie in meiner Kindheit angeschafft hatte. Als mein Alter ihr auf den Hammer ging und sie sich dadurch austobte, dass sie Möbel kaufte. Inzwischen war die Einrichtung über dreißig Jahre alt und würde Möbelsammlern oder Pophistorikern gutes Geld wert sein. Sah aus wie 1980. Fehlten nur noch die Kokslöffelchen auf silbernem Spiegel.
     
    Ich hatte das Auto in ihren Garten gefahren, hatte es sehr zu ihrer Verwunderung auf dem gepflegtem Rasen hinterm Haus abgestellt, aber sie hütete sich, mir Vorwürfe zu machen. Ich glaube, sie wusste, dass ich meine Gründe hatte. Dort hinten war es von der Straße her nicht zu sehen. Mehr wollte ich ja gar nicht.
     
    Wir gingen früh schlafen, wachten dadurch früh wieder auf – Ricky tanzte auf meinem Bauch herum, was das Weiterschlafen erschwerte – und frühstückten auf der Veranda. Ein hübscher Julitag war es, ein ausgesprochen ruhiger Sommertag, der übliche landesweite Kater nach dem ausgelassenen Vierten. Mutter brachte Sauerteigpfannkuchen, Himbeermarmelade und Vanilleeis, eine Speisenzusammenstellung, von der ich als Kind nicht genug bekam. Die heißen Pfannkuchen, das kalte Vanilleeis und die rote Marmelade. Ich wartete immer, bis sie sich auf eine gemeinsame Temperatur geeinigt hatten, ehe ich reinhaute. Dann floss alles ineinander, vermischte sich und sah aus wie ein besonders böser Verkehrsunfall. Herrlich.
    „Dein Kleiner ist genauso pervers wie du damals", schimpfte sie.
    „Das kennt er aber nicht von mir.“
    „Natürlich nicht. Du warst vermutlich dauernd zu besoffen, dich daran zu erinnern. Ich habe ihm erzählt, wie gern du das gegessen hast, und dann wollte er es auch mal probieren.“ Sie grinste über alle Backen. Kann ich mir vorstellen.
    Wir Männer hauten rein, wobei mich Ricky wieder in Staunen versetzte. Der konnte nicht nur perfekt englisch, er kannte sogar die nötigen Spezialausdrücke. Als ihm eine Löffelladung Pancakematsche kurz vorm Kinn herunterfiel,