Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
Vom Netzwerk:
mich.“
    „Habe ich. Der sagt Sie heißen Alex, nicht Axel.“
    Scheiße. Meine dämliche Halb-Legasthenie. Hatte ich schon immer bei Namen wie Alex, Lola, Michael – ich bringe Buchstaben durcheinander. Nicht immer, aber oft genug. Michael ist bei mir grundsätzlich Micheal.
    „Hören Sie mal, wenn Sie hier wohnen und Alex Madonna heißen, würden Sie sich nicht lieber Axel nennen?“ Der Superreiche war nicht der beliebteste. Ging über Leichen. Der Sheriff nickte. „Kann ich verstehen. Sorry – ich wollte nur sicher sein.“
    „Klar. Also bis bald.“ Ich hoffte nicht.
    „Bis dann.“ Der Sheriff war mit Vorsicht zu genießen. Korinthenkacker.
    Als wir um die Ecke bogen fragte Winston, ob ich den Straftatbestand Driving While Black kenne. Kannte ich. Wurde man auch angehalten, genau wie für Driving Under the Influence of Alcohol, nur gab´s bei DWB kein Herausreden.
     
    Wir schwiegen uns an bis wir wieder am Häuschen waren. Halb zehn. „Zeit, weiterzufahren. Wir dürften um die Mittagszeit in Silver Strand sein, schätze ich,“ vermutete Winston, und sein Adlatus nickte. „Highway 33, über die Berge nach Ojai, Boss. Zwei Stunden von hier.“ Muss er sich zwar verdammt beeilen, aber ich würde mich mit dem ja nicht streiten.
     
    Ich setzte mich unter das Sonnensegel, stellte meinen Laptop auf, ließ mein iTunes im Hintergrund laufen und machte mich an eine Aufstellung aller Menschen, mit denen ich in den letzten Wochen zu tun hatte. Alle. Also auch Winston und Ignacio, Marisol und die Witwe Holloran. Ich überlegte und schrieb, bis mir der Magen knurrte. Den ganzen Tag überlegte ich und machte Notizen.
    Um Mitternacht hatte ich einen vollständigen Überblick. Sämtliche Personen, die mir über den Weg gelaufen waren. Seit Baja, seit meinem Dorf. Seit meiner Zeit als versoffener Taucher und Surfer, der schon lange nicht mehr surfte. Drei Seiten voller Namen und Beschreibungen. Ich legte Dateien an, nannte sie Ort und Tätigkeit und kopierte die Namen entsprechend ein. Eine dritte Datei nannte ich einfach Paranoia. Da kamen Menschen wie die beiden Greifer von Winston rein, die Witwe Moreno ebenso wie die Herren, die ich durchs Delta spazieren fuhr. Ich schrieb Notizen zu jedem Eintrag. Langsam konnte man was damit anfangen.
     
    Ich würde einen besseren Überblick haben, wenn ich das alles ausdruckte und vor mir liegen hatte. Aber ich traute mich nicht. Bis jemand drauf kommt, was alles im Computer stecken könnte, muss er schon einen ordentlichen Verdacht haben. Aber wer so ein Papier herumliegen sieht, der erkennt auf Anhieb wie gefährlich das sein kann. Also ließ ich´s lieber.
     
    Marisol rief in aller Frühe an. „Uns geht´s prima“, strahlte sie übers Telefon, und fragte Ricky auf Spanisch, ob das nicht wahr sei. Den hörte ich begeistert bejahen. „Lass mich mal mit ihm sprechen", bat ich, und schon fing er an, mir zu erzählen, was er alles unternommen hatte mit Marisol, und wo sie heute hinfahren würden. Dass er gestern im Kino war und dass es ganz toll war, nicht so blöd wie beim Zoo, und dass er bald in den Kindergarten darf erzählte er mir, und dass die Marisol ganz lieb sei. Alles in einem spanischen Schwall, und ich musste mit meinem Spanglisch verdammt aufpassen, dass ich auch alles verstand.
    „Ich fahre übermorgen wieder nach Hause", sagte sie. „Wir sind gerade dort, wo du mich mal hinschleppen wolltest. Und ich dir sagte, dass ich die Höhenluft nicht vertrage.“ In der Hohen Sierra waren sie, in Jamestown, dem alten Goldgräberdorf.
    „Hübsch dort, nicht?“
    „Ist es, und wir können hier eine Menge anfangen. Er will unbedingt reiten, weil ich ihm eine Dude Ranch gezeigt habe auf dem Weg hierher, also gehen wir nachher dorthin, ehe es zu heiß wird. Und dann wollen wir noch einige Sachen machen, die die Touristen hier so gern tun“, – Gold waschen, natürlich, im Bach, der vor hundertsechzig Jahren nur wenige Leute steinreich machte und die vielen Hoffnungsfrohen leer ausgehen ließ – „und vorm Abendessen gehen wir wieder ins Kino. Waren wir gestern schon, wie du hörtest.“
    Ich sagte ihr, dass ich sie sehr lieb habe, was sie mir dann auch versicherte, und Ricky gab mir einen schmatzenden „Telefonkuss“, musste aber gleich aufs Klo, damit er nachher beim Reiten nicht muss, und sie versprach, mich wieder anzurufen.
     
    Meine Menschenaufstellung machte mir Kopfzerbrechen. So viele Leute, und ich hatte keine Ahnung, was sie alle im Schilde führten.

Weitere Kostenlose Bücher