Aasgeier
Also fing ich mit denen an, von denen ich wusste, dass sie mir nicht wohlgesonnen waren. Perez, der Stecher von meiner Ehemaligen. Die auch, die kam dazu. Nach der Ballerei ganz sicher. Und die beiden Typen bei Perez im Auto, die geschossen hatten. Keine Ahnung, wie die hießen, aber als Schießer standen sie da. Die mexikanischen Dicken vom Schiff mit ihren Bodyguards. Die beiden Scharfschützen, die mir mein Schiff zerschossen. Das lief wie ein Trichter, oben Namen rein, unten entsteht ein Raubtiergehege.
Ich merkte bald, dass ich noch eine Datei brauchte. Verschiedenes heißen die Sammelsurien, in denen man alles zusammenfasst, das nicht eingestuft werden kann. Ein bürokratisches Unter-den-Teppich-kehren. Ich machte mir einen digitalen Ordner für Verschiedene. Dort kamen Menschen wie der Bulle Macmillan und sein Freund rein. Der Surfer-Anwalt aus Morro Bay und die Menschen, denen die Pension im Weingebiet gehörte.
Scheiße, das waren wahnsinnig viele Leute. Ich musste dringend ein paar loswerden. Aber wenn ich gleich streichen würde, hatte das Ganze keinen Zweck mehr. Also nach Wichtigkeit ordnen. Jedem eine vermutete Gefährlichkeit oder sonstige Eigenschaft zuschreiben und danach einstufen. Grüne, gelbe, rote.
Als die endlich untergebracht waren, fing ich an, mir zu überlegen, wer was von wem wollte. Mag man sie nun mögen oder nicht, aber Krimis sind die ultimativen Wegweiser für das Menschelnde. Denn die halten sich an den alten Bullenslogan „follow the money“. Also folgte ich dem Geld. Und überraschte mich selbst. Ignacio und Winston, schien mir, waren tief in meine Geschichte verstrickt. Nicht nur als Helfer und Freunde, sondern über die Menschen, die sie kannten und deren Verwicklungen. Da war Bobby, den ich über Ignacio kennenlernte. Der lebte mit Zorbian, dem wiederum eine Marihuanaplantage in den Bergen hinter Cornwall gehörte, die mit Sicherheit dem toten Jimmy Bones bekannt war, der ja mit seiner Cornwaller Nazitruppe dort oben Krieg spielte. Und einer der Faschisten bediente bei VanDeKamp, dem Tattoo nach.
Follow the money, then connect the dots. Winston kannte ich seit er Misty´s Adlatus war und mir aus einigen Patschen half – und die beiden kannte ich auch durch Ignacio, übrigens. Winston war Ganja-Großhändler und VanDeKamp sein Konkurrent, was Doc nur bestätigen konnte. Der wohnte ein paar Häuser von Perez entfernt, der als Tijuana Mafioso bekannt und mit Julie liiert war. Die Herren auf meinem Schiff waren hundertprozentig Drogenprofis. Erwiesen war Macmillans Undurchsichtigkeit, obwohl niemand wusste, was der im Schilde führte.
So ging´s weiter. Manches war eindeutig verwoben, manches an den Haaren herbeigezogen, aber alles zusammen ergab ein bedrohliches Geflecht. Ich druckte jetzt doch die Ordner aus, legte sie nebeneinander, verband Namen und Orte mit Buntstift, bis sich ein Spinnennetz ergab. Sie waren fast alle miteinander irgendwie verbunden. Was nichts Gutes bedeutete. Auf einmal wusste ich nicht mehr, wer Freund und wer Feind war. Wurde Zeit, das herauszufinden.
24 Tote Geier
Ich hatte den Tag mit meiner Aufstellung verbracht, hatte alles noch mal gedreht und gewendet, Mögliches mit Sicherem verquickt und war irgendwann völlig am Ende. Ich konnte nicht mehr weiter. Konnte nicht mehr geradlinig denken, konnte nicht mehr Schlüsse ziehen, konnte mich überhaupt nicht mehr konzentrieren. Es war alles zu viel, ich hatte ganz plötzlich die Schnauze voll. Also nahm ich meine vollgekritzelten Aufzeichnungen, warf sie in den Kamin, machte bei der Bullenhitze ein Feuer und sorgte dafür, dass nichts mehr lesbar war. Die Asche besprühte ich mit Wasser und saugte sie auf, leerte den Staubsaugerbeutel und vergrub den Dreck im Garten. So bescheuert war ich.
Als ich aufwachte, beschloss ich, früh übers Carrizo Plain nach San Miguel zu fahren, Ignacio besuchen. Wenn ich die Staubstraße durch die Wüste fuhr, konnte ich gute vierzig Meilen Umweg sparen, hatte dann zwar nicht den Freeway von Santa Maria bis nach San Miguel, aber ich wäre genauso schnell da. Und der Tag war so schön, dass ich das Verdeck herunterklappen und mir den Wind um die Ohren blasen lassen konnte. Vorausgesetzt, ich würde früh genug hier wegfahren.
Also rief ich Ignacio an, meldete, dass ich unterwegs zu ihm sei, und fuhr nach Körperpflege und Frühstück los. Das verdammte Verdeck wollte nicht zusammengefaltet bleiben; ich hielt am Rande des
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