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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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nicht mehr gesehen, seit ich bei ihm zwei Semester Kunst studierte. Ein gemeinsamer Bekannter erzählte ihm, dass ich in seiner Nachbarschaft lebe, und er rief aus Langeweile und Einsamkeit an. Seither sind wir zusammen. Meine Bude in Cornwall steht noch immer so, wie ich sie verließ. Gelegentlich gehe ich mal und sehe zu, dass die Türen verschlossen und die Fensterläden noch dicht sind.“ Er saß neben mir und war glücklich. Ich musste spontan meinen Arm um ihn legen.
    Wir gingen zusammen zum Studio zurück, weil er mir zeigen wollte, wie er jede Spur seiner Arbeit vernichtete. „Ist doch Quatsch; ich käme doch nie auf den Gedanken, dass du mich damit erpressen willst“, wehrte ich tief getroffen ab, aber er bestand darauf. „Ist auch zu meiner Beruhigung. Ich will nicht, dass ich was vergesse, dass ich irgendwo noch eine Spur hinterlasse. Zuschauen ist Teil des Preises; du kommst hier erst raus, wenn du gesehen hast, wie alles verschwunden ist.“
    Meinetwegen. Er gab mir die externe Festplatte seines Laptoprechners und empfahl deren sofortige Zerstörung, zeigte mir, dass der Computer weder meine neuen Daten noch andere Erkennungsmerkmale gespeichert hatte, durchforstete Drucker-Speicher, ließ mich im Kanonenofen den Inhalt seines Papierkorbes verbrennen, zeigte mir, dass keinerlei sonstige Datenträger im Haus waren, und ich wusste von Rick, dass er trotzdem alles irgendwo aufgezeichnet hatte, falls ihm danach war. Wo eine Telefonleitung ist, können Daten hinterlegt werden. Dagegen ist man machtlos. Was ich ihm natürlich nicht sagte. Ich bedankte mich, gab ihm noch einen Tausender dazu (sicher ist sicher! Und doppelt genäht ...) und war fortan James McAllister III, abgebrochener Meeresbiologe, öfter arbeitslos als beschäftigt und den paar Arbeitszeugnissen, Sozialamtsnotiz und Kreditkartensaldo nach zu urteilen, stets akut von Obdachlosigkeit bedroht.
    „Fällst du schon nicht auf,“ meinte Bobby dazu, und der musste es ja wissen. „Jeder ist hierzulande pleite. Wenn du also noch abgebrannter als der Durchschnitt bist, kannst du sogar Sympathie ernten.“
    „Bobby, du bist genial. Noch mal – ich kann nicht genug danken.“
    Er winkte ab, fand, dass es jetzt gut sei, und fragte, ob ich nun nach San Luis mitkäme. Ich hatte wenig Lust, und das sagte ich. „Kein Problem – mach dir ein paar flotte Stunden. Wir sind um Mitternacht wieder da. Bis morgen früh, dann.“
     
    Also verbrachte ich einen stillen Abend am Strand, las, staunte über den farbenfrohen Sonnenuntergang, drehte mich auf den Bauch und schaute zu, wie der Mond über die Berge stieg. Die Wellen rauschten, der Wind legte sich bei Abendanbruch, und ehe ich mich versah, war ich eingeschlafen.
     
    Ich wurde durch ein Knirschen wach. Etwas rollte auf dem Schotter. Ich fror, ich schlotterte. Vor Kälte, vor Schreck? Der Vollmond stand zwar hoch oben am sternenhellen Himmel, aber es dauerte, bis ich das Auto sehen konnte, das sich leise im Schatten des Abhanges auf Zorbians Haus zu bewegte.
Bobby war es nicht. Ich kannte sein Auto. Wenn ich mich trollen wollte, würde man mich vor dem mondbeschienenen Meer sehen. Ich musste mich also so klein wie möglich machen und einfach liegen bleiben.
    Das Auto hielt vorm Haus. Eine ganze Weile verging, ehe eine Tür geöffnet wurde und der Fahrer ausstieg. Ich hörte wieder leises Knirschen, als er langsam, vorsichtig, zum Haus ging. Ich drückte mich in den Sand, kam mir aber noch immer riesengroß vor. Also schabte ich mir mit Füßen, Knien und Brust eine flache Kuhle, während ich meinen Blick auf den Mann hielt, der nun durch Fensterscheiben schaute und offenbar im abgedunkelten Inneren des Hauses nichts sah. Er richtete sich auf, ging zur Haustür, und ich hörte Metall leise aneinanderschlagen. Die Tür sprang auf und er ging hinein. Drehte das Flurlicht an, frech wie Oskar, und machte sich an die Arbeit. Jetzt nichts wie weg. Als ich zum Spurt ansetzte wurde die Beifahrertür geöffnet, und ein muskulöser, von der Flurbeleuchtung angestrahlter Herr mit Hut stieg aus dem schwarzen oder dunkelblauen Auto und ging ebenfalls ins Haus. Macmillan.
     
    Der FBI-Agent war nicht zu verkennen. Sein Gang erinnerte mich an alte Filme über die Helden der Staatspolizei, an J. Edgar Hoovers Lieblinge. Aufrecht, stramm, Brust raus, Schultern zurück, Marschgeschwindigkeit. Er ließ die Tür offen, zeigte sich kurz im nun erleuchteten Wohnzimmerfenster, ging dann mit seinem Kollegen die Flurtreppe in

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