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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Sandstreifen freigegeben, der zur Linken in Sägezahnreihen überging. Das Land fiel hier nur zögernd ins Meer ab, zog sich lange hinaus und bildete ein paar hundert Fuß vor der Küste ein Riff, das bei Ebbe sichtbar wurde. Vom Riff haben an dieser Küste einige Generationen gelebt, räumten die Wracks aus und standen im Ruf, bei flauer Wrackkonjunktur schon mal ein paar Nächte lang das Feuer im Leuchtturm zu löschen und um einen Viertelkilometer ins Landesinnere zu verlegen.
     
    Hearst Castle erstrahlte im Sonnenschein, stand stolz auf einem Vorsprung am Hang, hinter sich die sanft geschwungene Oberkante der Santa Lucia Mountains. Das private weiße Bergdorf des Zeitungsmonopolisten erinnerte mit seinem Kirchenbau und den roten Dachpfannen an Andalusien. Mit Geld kann man wirklich alles kaufen. Wie mag der überfressene Kerl wohl gelebt haben? Hollywood wusste vor Jahrzehnten eine Antwort darauf - Citizen Kane war schon immer einer meiner Lieblingsfilme. Dass der Film das Leben des reichen Hearst nur leicht verfremdet erzählt, ist ein offenes Geheimnis. Leider kann es unmöglich die Verderbtheit des rücksichtslosen, raffgierigen Machers zeigen, der den spanisch-amerikanischen Krieg anregte um mehr Zeitungen zu verkaufen. „You give me the soldiers, I´ll give you a war“, soll er dem Präsidenten McKinley versprochen haben, und er hat das Versprechen in seltener Übereinkunft mit seinem verhassten Konkurrenten Pulitzer gehalten.
    Nun leuchtet Hearsts raumgreifende Übervilla jungfräulich in der kalifornischen Sonne, als ob ihr Erbauer keiner Fliege etwas zuleide tun konnte.
     
    Hinter mir knirschte es. Ich drehte mich um und sah den Künstler durch den Morgen laufen. Nackt, wie der Herr ihn einst auf die Welt losließ. Nussbraun, leichter Hängebauch, etwas krumme Beine und Affenarme, Bart, Haupt- und Schambehaarung schlohweiß, so trabte er über den Sand.
    „Herr Künstler, guten Morgen!“ Ich war guter Dinge.
    „Einen herrlichen Morgen wünsche ich!“ Er auch. Lief an mir vorbei und ins eiskalte Wasser hinein. Ich bekam Herzbeschwerden vom Zuschauen. Er schwamm eine oder zwei Minuten, tauchte dann prustend wie ein grinsendes Neptünchen aus den Brechern auf und wackelte zurück zum Strand.
    „Staunste, was?", fragte er recht überflüssig. Und wie alte Leute das nun mal gern tun, forderte er mich auf, sein Alter zu schätzen.
    „Siebzig?“
    Er kicherte. „Noch mal“
    „Fünfundsiebzig?“ Sah wirklich noch gut aus.
    „Drei-und-NEUNZIG!“ Stolz wie ein Schneider. Dreiundneunzig, mein lieber Mann! Ich konnte mich kaum mit fünfzig vorstellen.
    Das freute ihn ungemein. „Fünfzig? Da habe ich erst zum dritten Mal geheiratet. Mit fünfzig weißt du noch nicht, was läuft. Das braucht seine Zeit.“
    „Wie oft warst du denn verheiratet?“
    Er überlegte kurz. „Achtmal, glaube ich. Inklusive der Jetzigen. Aber ich habe lange nicht jede geheiratet, die hier wohnte. Das waren vielleicht so um die zwanzig, fünfundzwanzig Frauen. Über die Jahre.“
    „Und wie lange wohnst du schon hier?“
    „Seit 1938. Da war ich zwanzig, hatte meine erste große Ausstellung in New York und am Eröffnungstag alles verkauft. Siebzehn Bilder, drei Statuen, fünf Kästen. Alles weg. Mit dem Geld habe ich das Canyon gekauft. Und mir das Haus gebaut. Selber. Hat fast ein Jahr gedauert, aber dann war´s fertig, und ich bin nicht ganz sicher, ob die Baubehörde des Landkreises Monterey überhaupt weiß, dass hier gewohnt wird.“ Er lachte kurz, aber er war noch in der Vergangenheit. Sein Blick war auf etwas gerichtet, das vor über einem halben Menschenleben hier geschah.
    „War sie schön, die Wildnis damals? Die raue Küste, fast unbewohnt – muss wirklich etwas Besonderes gewesen sein.“
    Er schaute mich befriedigt an. „Ich mag dich", sagte er überraschend, „die meisten wollen nur wissen, wie viel ich damals bezahlt habe.“ Er grübelte wieder. „Aber ja, es war schön. Der Highway wurde ein Jahr vorher mit Pauken und Trompeten eingeweiht, war aber noch lange nicht durchgehend befahrbar. Da wurde noch jahrelang dran gearbeitet: Die mussten ja was für die vielen Zuchthäusler zu tun haben, also sind die hier reihenweise draufgegangen. Und der Hearst hatte seine Gäste aus Los Angeles hier, kamen im Auto, in der Jacht und im eigenen Flugzeug, machten manchmal einen Höllenlärm, aber der Verkehr endete meist am Castle, weil weiter oben noch immer gebaut wurde. Ich habe die ersten Jahre hier sehr

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