Aasgeier
sein - offenbar waren sie noch immer voll im Geschäft. Was der Künstler trieb, wusste ich ja nicht, aber Bobby war ohne Zweifel der begnadetste Fälscher, den ich je kennenlernte. Auch der einzige, den ich kannte, aber trotzdem. Ein Genie. Und jetzt war Scheiße mit der Berufsausübung.
„Na, und jetzt?“ Interessierte mich wirklich, denn ich brauchte Bares, ein Dach überm Kopf und Papiere. Schon wieder Papiere. Ich stand blöder da als noch vor ein paar Tagen.
Sie hatten an alles gedacht. Seit Jahren schon, sagte Bobby. Sie hatten eine Ausweichwohnung, hatten eine Werkstatt dabei und ich sollte mitkommen. Beide taten geheimnisvoll, als ich fragte, wohin es denn gehen solle, aber es sei nicht weit, und ich soll ihnen vertrauen. Schön.
Erst mal fuhren wir nach Morro Bay. Unterwegs verabschiedete sich der Tag mit dem üblichen Lichtspiel überm Meer. Ich lud die beiden am Kraftwerk aus und tuckerte im Schritttempo weiter zum Jachthafen, wo ich vor gar nicht langer Zeit meinen Trawler angedockt und prompt verlassen hatte. Zorbian hatte in Morro Bay eine Freundin, die ihm ein Auto leihen würde. War wohl zu Hause, die Dame, denn sie kamen angefahren, als ich gerade im Café das Abendessen bestellte. Wir verließen Morro Bay um zehn herum und waren um halb zwölf beim Lucia Lodge. Ich war hundsmüde. Die Aufregung hatte mir den Rest gegeben. Ich wollte nur noch schlafen.
Am Freitagmorgen war ich früh wach, lief mich eine halbe Stunde am Meer unten warm und stieg den Abhang zum Restaurant der Lodge hinauf. Nach meinem Frühstück war von den Opas noch nichts zu sehen, also schnappte ich die San Luis Times aus dem Regal vor der Kneipe und spazierte den Weg entlang bis zum Felsen, um den herum Bänke aufgestellt waren und eine kniehohe Schutzhecke den Wind abhielt. In den Morgenstunden dieses Sommertages war solch ein Platz unbezahlbar. Allein die Aussicht über Meer und Steilküste rechtfertigte den Zimmerpreis.
Die Times meldete, dass auf einem Hof in der Nähe San Simeons ein Toter gefunden wurde. Sie wusste auch, dass die beiden Hofbewohner dringend als Zeugen von der Polizei gesucht wurden. Namen wurden nicht genannt, der Ort nur unzulänglich beschrieben, wie das Kleinstadtzeitungen an sich haben, aber natürlich handelte es sich um Zorbians Gelände. Ich hatte schon wieder Bauchweh.
Die Bauchschmerzen übertrugen sich auf den Künstler, als ich in seinem Zimmer stand, ihn schüttelte und ihm dabei die Zeitung unter die Nase hielt. Bobby beugte sich über den brillenlosen Zorbian, las vor und rief sofort seinen Anwalt an.
„Er will heute mir uns sprechen. Morgen ist Sonnabend, dann ist Feiertag, also sind die Topbullen nicht vor Dienstag oder Mittwoch im Büro. Er meint, das zieht sich zu sehr hinaus“, meldete Bobby. Zorbian nickte, also sagte der Fälscher zu, horchte noch eine Weile und legte auf. Er war bleich.
„Was schlägt er vor?“
Bobby schaute nur kurz hoch. „Er will, dass wir sofort losfahren, dass wir auf keinen Fall irgendwo anhalten sollen und ihn kurz vor Morro Bay anrufen. Bis dahin ist er in der Kanzlei. Dann wird er uns sagen, wie es weitergeht. Ob wir uns gleich treffen oder ob wir noch irgendwo abwarten sollen. Er ruft den Sheriff an und will erfragen, ob wir als Verdächtige gelten und was überhaupt los ist.“
Zorbian kletterte ächzend aus den Federn, ging furzend ins Klo und gab bei geschlossener Tür erstmal ein paar gewaltige Töne von sich. Bobby begann, sich anzuziehen, also verdrückte ich mich in die Kneipe.
Ihre Morgentoilette dauerte ewig. Ich frühstückte noch mal mit, und dann fuhren wir dorthin zurück, von wo wir am Abend zuvor gekommen waren. Kurz vor elf rief Bobby seinen Anwalt wieder an.
„Wir sind in Morro Bay.“
Er nickte in sein Telefon hinein, steckte es in die Tasche und bugsierte mich durch die Kleinstadt zur Kanzlei.
Anwalt Green war ein jovialer Mann, viel zu dürr und viel zu locker um einen dieser großmäuligen Anwälte zu spielen, die der amerikanischen Justiz solch spannungsgeladene Verhandlungen bescheren. Sah eher nach Marabu aus. Das Panoramafenster seines Büros bot eine traumhafte Urlaubsansicht von Fischereihafen, Dünengelände und offenem Meer, seine Empfangsdame war von erster Güte, und das plastikbunte Mobiliar ließ ahnen, dass Mister Green als Surfer zur Welt kam. Wie ich auch. Wer hat sonst schon alte pastellfarbene Surfbretter und schwarzsilberne Sex-Wax-Dosen als Wandschmuck, wer sitzt an einem
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