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Aasgeier

Aasgeier

Titel: Aasgeier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Die andere Nummer.“
    Okay. Sein Mobiltelefon, das er offiziell gar nicht hatte. Der drahtlose Cutberto versorgte ihn über Gonzales mit geklauten Handys, was natürlich keiner wissen sollte. Ich hatte die Nummer des derzeitigen Gerätes. Aus meinem abendlich kühlen Garten rief ich ihn an, deutete an, dass ich eine neue Bleibe hatte, eine, die nicht sehr weit von ihm entfernt war. Ich konnte nur nicht sagen, dass ich den Kleinen dabei hatte, aber ich wollte unbedingt, dass er Ricky jetzt kennenlernte, dass die beiden sich beschnüffeln konnten. Ignacio kannte Ricky nur als Baby, und ich war überzeugt, Ricky erinnerte sich nicht an ihn – er war damals einfach zu jung. Mir war wichtig, zu wissen, ob Ignacio sich um meinen Sohn kümmern konnte, falls ich dazu nicht in der Lage war. Also sagte ich ihm, dass ich ihn unbedingt treffen müsse.
    „Ich kann morgen Nachmittag freinehmen. Schlage du vor, wo.“
    „Wollen wir uns dort treffen, wo wir kürzlich mit unserem Freund standen und übers Land schauten?“
    Auf dem Tepusquet, natürlich. Wo wir mit Winston standen, wie ich vor einigen Jahren, und den Morenoschen Gasthof überblickten. “Könnte nicht schaden, wenn du vielleicht etwas Cola oder einen Apfelsaft mitbringen könntest.” Er kapierte. Ich merkte am beschwingten Ton seiner Zusage, daß ihm klar war, was ich nicht am Telefon sagen konnte.
    Um halb drei würden wir uns treffen. Was in Ordnung war. Konnten wir gleich nach dem Mittagessen losfahren.
     
    Ich fuhr langsam über die Kuppe des höchsten Berges an der Mittelküste. Hier war kaum Verkehr, weil die schmale, kurvenreiche Straße kaum unterhalten wurde. Schlaglöcher, handtellergroße Taranteln, die in ihren braunen Pelzmänteln gemächlich die Straße überquerten und sich sonnende Schlangen waren das Aufregendste an den acht Straßenkilometern zwischen Weinbaugebiet im Santa Maria Valley und der Bergspitze. Mein Beobachtungsbaum, in dem ich viele Stunden mit Buch, Getränken und Fernglas verbracht hatte, war ein paar Kilometer weiter westlich, etwa ein Viertel des Weges ins Tal hinunter. Ich war von hinten her den Berg hochgefahren, vom Highway 166, und auf der ganzen Strecke kam mir niemand entgegen. Es war wirklich schön einsam hier. Ideal für jemanden, der nicht gesehen werden will.
     
    Als ich an der Stelle vorbeifuhr, wo ich den Cadillac abgestellt hatte und vom Waldrand aus den Moreno beobachtete, wie er sein Geld verbuddelte – eine glänzende Idee, übrigens, die ich bald darauf für mich in Anspruch nahm; das gleiche Geld, anderes Versteck, neuer Besitzer – hielt ich wieder. Ich war neugierig, wie der alte Wohnanhänger aussah, ob jemand darin wohnte oder ob er seit der Abdankung des Drogenkönigs leerstand. Stellte den Jeep hinter das gleiche Gebüsch, das schon dem Cadillac als Sichtblende diente, und spazierte mit meinem Söhnchen an der Hand zum Abhang, unter dem der Wohnanhänger stand.
     
    Er war verlassen. Dreck überall, Unkraut, eine Fensterjalousie hatte sich losgerissen und hing schief an einem Scharnier. Der einst blühende Kräutergarten, in dem Moreno seine Geldverstecke gegraben hatte, war völlig überwuchert, von der Wäscheleine hing nur noch ein Fetzen. Es sah furchtbar aus. Ich würde mich mal erkundigen müssen, wem das Grundstück gehörte. Interessierte mich. Der Wohnwagen war nicht mehr als Drogenküche in Betrieb – die typischen Gerüche fehlten, spezifische Anzeichen wie leere Flaschen, Kartons und Plastikbehälter, Flecken, die beim Heranschleppen, Vermischen und Kochen der Chemikalien entstanden waren nirgend zu sehen, die bei unachtsamem Umgang mit dem Mist unvermeidlichen Brandflecken in der Vorgartenbotanik fehlten. Hier wurde seit mindestens einem Jahr nicht mehr gewerkelt. Aber es war noch immer ein ideales Gelände für einen Methamphetaminkoch; ich konnte mir nicht vorstellen, dass so was einfach unbenutzt verkommt.
     
    Ricky und ich saßen eine Weile am Rand des sanften Abhangs, schauten auf die Mobilbude, er hielt nach Vögeln Ausschau, von denen einige im kühlen Waldschatten hin und her flogen. Ich musste die ganze Zeit an mein damaliges Abenteuer denken, daran, dass es mich um Haaresbreite das Leben gekostet hatte. Und doch war es keine unangenehme Erinnerung. Ich hatte aus meinem Leben was gemacht. Reiner Zufall, zwar, der mich dazu trieb, aber seit damals hatte ich immerhin einen Sohn, der zu mir hielt, noch immer einen Haufen Geld, wenn man ehrlich sein will, und den Willen, daran

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